Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 503
Duale Studiengänge sind aus Sicht des Unternehmens regelmäßig langfristige Investitionen zur Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses. Oft kostet das duale Studium ein Unternehmen mehr, als der Studierende durch seine Arbeitsleistung in den Praxisphasen kompensiert. Um einen negativen Anreiz für den Studierenden zu setzen, einer Anschlussbeschäftigung im Unternehmen auszuweichen, und die für das Dualstudium aufgewendeten Kosten notfalls zurückfordern zu können, kann aus Sicht des Unternehmens die Aufnahme einer Rückzahlungsklausel in den Durchführungsvertrag zweckmäßig erscheinen. Anders stellt es sich für Unternehmen dar, die schwerpunktmäßig günstige Arbeitskräfte gewinnen wollen, von denen sie den Großteil ohnehin nicht nach Abschluss der Ausbildung übernehmen. Für sie sind Rückzahlungsklauseln wegen ihrer abschreckenden Wirkung auf potentielle Interessenten oft unzweckmäßig.
Rz. 504
Es ist allgemein anerkannt, dass Rückzahlungsklauseln für arbeitgeberfinanzierte Bildungsmaßnahmen vereinbart werden können, wenn der Bildungserfolg für den Arbeitnehmer deshalb von geldwertem Vorteil ist, weil sich die erworbenen Kenntnisse auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses, vor allem als bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, nutzbar machen lassen. Dies wird bei einem staatlich anerkannten Dualstudium immer der Fall sein. § 12 Abs. 2 BBiG, wonach Rückzahlungsklauseln im Ausbildungsverhältnis unzulässig sind, gilt für ein praxisintegrierendes duales Studium nicht.
Die Rückzahlungsklausel unterliegt aber einer strengen AGB-Kontrolle nach § 307 BGB, da sie einen erheblichen Eingriff in die nach Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit des Studierenden bewirkt und der Arbeitgeber die Investitionsrisiken seiner personalpolitischen Qualifizierungsmaßnahmen nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Rückzahlungsklauseln sollten daher immer mit besonderem Augenmerk auf einen transparenten Regelungsinhalt formuliert werden, der zu keiner unzumutbaren Benachteiligung des Studierenden führen darf. Der Studierende muss es in jedem Fall in der Hand haben, der Rückzahlungsverpflichtung durch Betriebstreue zu entgehen. Die Rückzahlungsklausel darf in keinem Fall Anwendung finden, den das Unternehmen einseitig herbeiführen kann, ohne dass für den Studierenden eine zumutbare Verhinderungsmöglichkeit besteht. Der Klausel droht bereits die Unwirksamkeit, wenn eine Auslegungsvariante auch nur vertretbar wäre, bei der das Unternehmen die Rückzahlungspflicht einseitig auslösen könnte, und die Klausel insoweit nicht klar ist. Ist die Rückzahlungsklausel unwirksam, entfällt die Rückzahlungspflicht grundsätzlich vollständig. Auch eine Rückforderung nach § 812 Abs. 1 BGB scheidet dann i.d.R. aus. Zur Geltungserhaltung ist es zweckmäßig, die einzelnen Fälle der Rückzahlungspflicht in gesonderten Klauseln zu regeln, die keine wechselseitigen Verweise enthalten, damit ein Fehler in einer der Klauseln nach Anwendung des sog. "blue-pencil-Tests" die Wirksamkeit der übrigen Klauseln nicht berührt.
Rz. 505
Scheidet der Studierende bereits während des Studiums aus, insbesondere weil er Prüfungen endgültig nicht besteht, kann ihm eine Rückzahlungspflicht auferlegt werden, wenn die Gründe dafür in seine Verantwortungs- und Risikosphäre fallen. Dies muss ausdrücklich klargestellt werden, etwa durch die Formulierung "auf eigenen Wunsch oder durch sein Verschulden". Ein Verschulden liegt nicht vor, wenn der Abbruch bzw. das Nichtbestehen der Abschlussprüfung aus personenbedingten Gründen wie Krankheit erfolgt oder der Studierende wegen fehlender persönlicher Eigenschaften, insbesondere intellektueller Überforderung trotz aller Anstrengungen scheitert. Der Studierende hat hingegen schuldhaft gehandelt, wenn die Erfolglosigkeit ihre Ursache in der mangelnden Anspannung seiner geistigen Möglichkeiten findet.
In seinem Urt. v. 20.2.1975 hat das BAG den Grundsatz aufgestellt, dass bei mehrjährigen Qualifizierungsmaßnahmen dem Auszubildenden eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden muss, innerhalb derer er sich ohne Kostenrisiko entscheiden kann, ob er die Ausbildung fortsetzen oder aufgeben will. Diesen Grundsatz hat das BAG seither weder ausdrücklich bestätigt, noch verworfen. Er sollte für eine rechtssichere Vertragsgestaltung Beachtung finden.
Rz. 506
Soll die Rückzahlungspflicht bei Verweigerung einer Anschlussbeschäftigung ausgelöst werden, muss sich das Unternehmen entweder verpflichten, dem Studierenden nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung ein Übernahmeangebot zu unterbreiten oder durch die Klausel muss wenigstens klargestellt werden, dass keine Rückzahlungspflicht besteht, wenn solch ein Übernahmeangebot nicht unterbreitet wurde. Im letzteren Fall, dessen Zulässigkeit durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, sollte aufgenommen werden, dass solch ein Übernahmeangebot mit einer mehrmonatigen Vorlaufzeit vor Abschluss der Ausbildung erfolgen muss. Nur so h...