Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 498
Duale Studiengänge sind aus Sicht des Unternehmens regelmäßig langfristige Investitionen zur Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses. Oft kostet das duale Studium ein Unternehmen mehr, als der Studierende durch seine Arbeitsleistung in den Praxisphasen kompensiert. Um einen negativen Anreiz für den Studierenden zu setzen, einer Anschlussbeschäftigung im Unternehmen auszuweichen, und die für das Dualstudium aufgewendeten Kosten notfalls zurückfordern zu können, kann aus Sicht des Unternehmens die Aufnahme einer Rückzahlungsklausel in den Durchführungsvertrag zweckmäßig sein. Anders stellt es sich für Unternehmen dar, die schwerpunktmäßig günstige Arbeitskräfte gewinnen wollen, von denen sie den Großteil ohnehin nicht nach Abschluss der Ausbildung übernehmen. Für sie sind Rückzahlungsklauseln wegen ihrer abschreckenden Wirkung auf potentielle Interessenten oft unzweckmäßig.
Rz. 499
Es ist allgemein anerkannt, dass Rückzahlungsklauseln für arbeitgeberfinanzierte Bildungsmaßnahmen vereinbart werden können, wenn der Bildungserfolg für den Arbeitnehmer deshalb von geldwertem Vorteil ist, weil sich die erworbenen Kenntnisse auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses, vor allem als bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, nutzbar machen lassen. Dies wird bei einem staatlich anerkannten Dualstudium immer der Fall sein. § 12 Abs. 2 BBiG, wonach Rückzahlungsklauseln im Ausbildungsverhältnis unzulässig sind, gilt für ein praxisintegrierendes duales Studium nicht.
Die Rückzahlungsklausel unterliegt aber einer strengen AGB-Kontrolle nach § 307 BGB, da sie einen erheblichen Eingriff in die nach Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit des Studierenden bewirkt und der Arbeitgeber die Investitionsrisiken seiner personalpolitischen Qualifizierungsmaßnahmen nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Rückzahlungsklauseln sollten daher immer mit besonderem Augenmerk auf einen transparenten Regelungsinhalt formuliert werden, der zu keiner unzumutbaren Benachteiligung des Studierenden führen darf. Der Studierende muss es in jedem Fall in der Hand haben, der Rückzahlungsverpflichtung durch Betriebstreue zu entgehen. Die Rückzahlungsklausel darf in keinem Fall Anwendung finden, den das Unternehmen einseitig herbeiführen kann, ohne dass für den Studierenden eine zumutbare Verhinderungsmöglichkeit besteht. Der Klausel droht bereits die Unwirksamkeit, wenn eine Auslegungsvariante auch nur vertretbar wäre, bei der das Unternehmen die Rückzahlungspflicht einseitig auslösen könnte, und die Klausel insoweit nicht klar ist. Ist die Rückzahlungsklausel unwirksam, entfällt die Rückzahlungspflicht grundsätzlich vollständig. Auch eine Rückforderung nach § 812 Abs. 1 BGB scheidet dann i.d.R. aus. Zur Geltungserhaltung ist es zweckmäßig, die einzelnen Fälle der Rückzahlungspflicht in gesonderten Klauseln zu regeln, die keine wechselseitigen Verweise enthalten, damit ein Fehler in einer der Klauseln nach Anwendung des sog. "blue-pencil-Tests" die Wirksamkeit der übrigen Klauseln nicht berührt.
Rz. 500
Scheidet der Studierende bereits während des Studiums aus, insbesondere, weil er Prüfungen endgültig nicht besteht, kann ihm eine Rückzahlungspflicht auferlegt werden, wenn die Gründe dafür in seinen Verantwortungsbereich fallen. Dies muss in der Klausel ausdrücklich klargestellt werden. Das BAG hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 die Formulierung "auf eigenen Wunsch oder durch sein Verschulden" gebilligt. In einem aktuellen Urteil hat der 9. Senat eine Regelung für unwirksam erklärt, in der eine Rückzahlungsverpflichtung schlechthin an das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers geknüpft war, weil dies auch den Fall der Eigenkündigung wegen einer dauerhaften unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit erfasst. Die Formulierung "auf eigenen Wunsch" kann ebenfalls dahingehend verstanden werden, dass Fälle der unverschuldeten Eigenkündigung erfasst sein sollen, und sollte daher nicht mehr verwendet werden. Die vorgeschlagene Klausel grenzt daher allein danach ab, ob die/der Studierende die jeweilige Kündigung zu vertreten hat. Ein Verschulden liegt nicht vor, wenn der Abbruch bzw. das Nichtbestehen der Abschlussprüfung aus personenbedingten Gründen wie Krankheit erfolgt oder der Studierende wegen fehlender persönlicher Eigenschaften, insbesondere intellektueller Überforderung, trotz aller Anstrengungen scheitert. Der Studierende hat hingegen schuldhaft gehandelt, wenn die Erfolglosigkeit ihre Ursache in der mangelnden Anspannung seiner geistigen Möglichkeiten findet.
In seinem Urt. v. 20.2.1975 hat das BAG den Grundsatz aufgestellt, dass bei mehrjährigen Qualifizierungsmaßnahmen dem Auszubildenden eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden muss, innerhalb derer er sich ohne Kostenrisiko entscheiden kann, ob er die Ausbildung fortsetzen oder aufgeben will. Diesen Grundsatz hat das BAG seither weder ausdrücklich bestätig...