Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 162
Im Grundsatz muss einer verhaltensbedingten Kündigung mindestens eine wirksame Abmahnung vorausgehen. Das dürfte auch bei Pflichtverstößen im Leistungsbereich gelten, selbst wenn es sich um einen leitenden Angestellten handelt. Die Abmahnung ist nicht formgebunden; sie sollte aber schon zu Beweiszwecken schriftlich erfolgen. Zur Abmahnung berechtigt sind alle Mitarbeiter, die befugt sind, dem Arbeitnehmer verbindliche Weisungen zu erteilen. Die Abmahnung muss aus drei Teilen bestehen: Erstens muss sie den der Pflichtverletzung zugrunde liegenden Sachverhalt möglichst präzise schildern. Zweitens muss sie die Aufforderung enthalten, das pflichtwidrige Verhalten einzustellen bzw. es nicht zu wiederholen und auch keine gleichartigen Pflichtverstöße zu begehen. Drittens muss der Arbeitgeber in der Abmahnung für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses drohen. Die damit verbundene Warnfunktion kann auch trotz sonstiger Formfehler der Abmahnung erfüllt sein. Begeht der Arbeitnehmer dann erneut eine vergleichbare Pflichtverletzung, kann diese zur Begründung der (ordentlichen) Kündigung herangezogen werden. Die Abmahnung ist damit Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, wonach vor Ausspruch einer Kündigung mildere Mittel gewählt werden müssen. In der Abmahnung liegt ein konkludenter Verzicht auf das Recht zur Kündigung wegen der konkret gerügten Gründe. Insoweit sind diese Pflichtverletzungen verbraucht und können bei einer späteren Kündigung nur noch unterstützend neben anderen Pflichtverletzungen vorgebracht werden.
Rz. 163
In Ausnahmefällen kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Das ist z.B. dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Handelns ohne weiteres erkennbar und von vorneherein offensichtlich ausgeschlossen ist, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten hinnehmen werde. Eine Abmahnung kann weiter entbehrlich sein, wenn sie im Hinblick auf die Einsichts- und Handlungsfähigkeit des Arbeitnehmers keinen Erfolg verspricht. Es ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers. Stets ist zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten.
Rz. 164
Sind bereits mehrere Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen erteilt worden, kann die mit einer Abmahnung stets verbundene Warnfunktion beeinträchtigt sein. In diesem Fall sollte eine besonders eindringliche, letzte Abmahnung erklärt werden.