Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 67
Eine betriebsbedingte Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nur sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Gibt es andere, freie Arbeitsplätze, so muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf diesem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigen, sofern der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Dies folgt aus dem "Ultima-Ratio"-"Grundsatz": Eine Kündigung ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Die Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen gilt unternehmensweit. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer also auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigen. Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht besteht nur in Ausnahmefällen, ebenso verhält es sich bei freien Stellen außerhalb Deutschlands.
Rz. 68
Eine ordentliche Beendigungskündigung ist danach immer dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen, und zwar auch zu ggf. erheblich unterwertigen Bedingungen, weiterbeschäftigen kann. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall verpflichtet, dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung jede, auch eine unterwertige Beschäftigung anzubieten bzw. statt der Beendigungs- eine Änderungskündigung auf diesen Arbeitsplatz auszusprechen. Die Weiterbeschäftigung hat auch dann vorrangig zu erfolgen, wenn sie erst nach Einarbeitung des Arbeitnehmers, ggf. erst nach einer dem Arbeitnehmer anzubietenden zumutbaren Qualifizierungs- oder Fortbildungsmaßnahme möglich ist. Nur in Extremfällen (das BAG nennt als Beispiel insoweit das Angebot einer Pförtnerstelle an den bisherigen Personalchef) muss eine unterwertige Beschäftigung nicht angeboten werden, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte und ein derartiges Angebot im Gegenteil eher beleidigenden Charakter hätte.
Rz. 69
Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot zur geänderten Weiterbeschäftigung ab, muss der Arbeitgeber trotzdem eine Änderungskündigung aussprechen. Eine Beendigungskündigung ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung, annehmen. Alle Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Das Änderungsangebot muss außerdem unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist unterbreitet worden sein. Sonst macht das Angebot eine Änderungskündigung des Arbeitgebers nicht überflüssig.
Rz. 70
In einer weiteren Entscheidung vom 21.4.2005 hat das BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber auch ohne vorherige Verhandlung mit dem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung aussprechen kann. Aus rein rechtlicher Sicht empfiehlt sich deshalb bei Vorhandensein freier Stellen in der Regel, keine Änderungsangebote zu unterbreiten, sondern direkt Änderungskündigungen zu erklären.
Rz. 71
Wenn mehrere freie Arbeitsplätze in Betracht kommen, hat der Arbeitgeber eine Auswahl vorzunehmen: Der Arbeitgeber muss den Arbeitsplatz auswählen, der für den Arbeitnehmer am günstigsten und weniger belastend wäre. Stehen für eine Weiterbeschäftigung in einem Betrieb verschiedene Tätigkeiten zur Verfügung, von denen sich einige mehr und andere weniger vom Inhalt des bisherigen Arbeitsvertrags entfernen, ist es grundsätzlich eine Frage der sozialen Auswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG, welchem Arbeitnehmer das in dieser Hinsicht "günstigere" Weiterbeschäftigungsangebot zu unterbreiten ist. Sind verschieden vergütete Tätigkeiten vorhanden, ist – sofern nicht betriebliche Belange dagegen sprechen,– dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung der (bezogen auf seinen bisherigen Arbeitsplatz) gleichwertigste Arbeitsplatz mit der geringsten Vergütungsreduzierung anzubieten (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Unter mehreren vergleichbaren freien Arbeitsplätzen innerhalb des Unternehmens, aber über die Grenzen des Betriebs hinweg, sind die Auswahlmaßstäbe höchstrichterlich nicht geklärt. Bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zum Beispiel an verschiedenen Orten hat der Arbeitgeber offenbar die Wahl, welchen konkreten Arbeitsplatz er im Rahmen der Änderungskündigung dem Arbeitnehmer zuweist, soweit die Interessen des Arbeitnehmers dieser Auswahl nicht entgegenstehen.
Rz. 72
Kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz besteht hingegen, wenn der Arbeitsplatz höherwertig ist. Ein Arbeitnehmer hat in der Regel keinen Anspruch auf Beförderung, so dass der Arbeitgeber ihm keinen freien Arbeitsplatz zuweisen muss, der auf einer höheren Hierarchieebene angesiedelt ist. Die Eingruppierung bzw. Vergütung...