Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 181
Die Behörde kann dem Antrag auf Zulässigkeitserklärung der Kündigung "ausnahmsweise" unter der Voraussetzung zustimmen, dass es sich um einen "besonderen Fall" handelt und die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Schwangerschaft steht.
Rz. 182
Einzelne Bundesländer haben in Verwaltungsvorschriften – inhaltlich weitgehend übereinstimmend – den unbestimmten Rechtsbegriff des "besonderen Falles" konkretisiert. Dabei handelt es sich zwar nur um innerdienstliche Anweisungen ohne Rechtssatzcharakter, sie führen aber zu einer Selbstbindung der Verwaltung. Die Rechtsprechung neigt zudem dazu, zur weiteren Konkretisierung des "besonderen Falles" auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit zurückzugreifen, was der Gesetzgeber zur "Orientierung" auch für die Verwaltungspraxis vorgesehen hat. Dies ist aufgrund der teilweise vergleichbaren Interessenlage bei Mutterschutz und Elternzeit vertretbar.
Rz. 183
Ein "besonderer Fall" liegt nach der Rechtsprechung des BVerwG vor, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, die vom Gesetz als vorrangig eingeordneten Rechte der Schwangeren hinter den Interessen des Arbeitgebers zurücktreten zu lassen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitgeber durch die Erfüllung der sich aus dem Mutterschutz ergebenden Verpflichtungen wirtschaftlich so stark belastet wird, dass er in die Nähe einer Existenzgefährdung rückt.
Rz. 184
Daher wird ein besonderer Fall in der Regel auch bei einer Betriebsstilllegung oder -verlegung anzunehmen sein, es sei denn, die Arbeitnehmerin kann in dem Unternehmen anderweitig (etwa nach einer Versetzung) weiterbeschäftigt werden.
Rz. 185
Gründe im Verhalten der Arbeitnehmerin stellen einen besonderen Grund dar, wenn auch unter Berücksichtigung der psychischen Konstitution der Schwangeren oder Wöchnerin das Fehlverhalten als so schwerwiegend anzusehen ist, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung schlechterdings unzumutbar ist. Grundsätzlich sind die Anforderungen an die verhaltensbedingte Kündigung einer Schwangeren erheblich höher. Für die Annahme eines besonderen Falls daher schwere Pflichtverletzungen der schwangeren Arbeitnehmerin zu fordern. Ein besonderer Fall kann daher bei Straftaten der Arbeitnehmerin zu Lasten ihres Arbeitgebers vorliegen oder bei beharrlichen (wiederholten) Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten; Indiskretionen über das Privatleben des Arbeitgebers genügen indes nicht. Wann eine Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist, wird von der Rechtsprechung uneinheitlich bewertet. So können erhebliche unentschuldigte Fehlzeiten einer Auszubildenden von insgesamt zehn Wochen trotz unzähliger, vergeblicher Versuche des Arbeitgebers, mit ihr Kontakt aufzunehmen und sie zur Teilnahme an der Ausbildung zu bewegen, einen die Kündigung rechtfertigenden besonderen Grund darstellen.
Rz. 186
Dagegen dürfte ein personenbedingter Grund als besonderer Fall grundsätzlich ausscheiden. Insbesondere sind die Schwangerschaft und Entbindung selbst und dadurch bedingte Krankheiten kein besonderer Fall, sondern eben gerade Anlass für den besonderen Kündigungsschutz, vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 MuSchG.
Rz. 187
Auch wenn ein besonderer Fall vorliegt, hat die Behörde nur "ausnahmsweise" die Kündigung für zulässig zu erklären, sie entscheidet im pflichtgemäßen Ermessen und ihr verbleibt ein Ermessensspielraum. Das Interesse der Arbeitnehmerin am Erhalt ihres Arbeitsplatzes geht nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich vor. Das BVerwG stellt darauf ab, ob "eine wesens- und sinngerechte Fortführung" des Arbeitsverhältnisses noch möglich ist. Ist das zu verneinen, diene der mutterschutzrechtliche Kündigungsschutz "nicht der Versorgung" der Arbeitnehmerin.
Rz. 188
Gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde stehen dem Arbeitgeber oder der Arbeitnehmerin das Widerspruchsverfahren und danach der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg offen. Ein Widerspruch muss weder begründet werden noch das Wort "Widerspruch" ausdrücklich enthalten. Es muss lediglich deutlich werden, dass der Widersprechende sich mit der Entscheidung nicht abfinden wird. Unabhängig von der Zulässigkeitserklärung durch die Behörde oder gegebenenfalls durch das Verwaltungsgericht hat die Arbeitnehmerin die uneingeschränkte Möglichkeit, die Wirksamkeit der Kündigung vor dem Arbeitsgericht prüfen zu lassen.