Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 414
Der ausscheidende Arbeitnehmer unterliegt grds. keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Ein solches bedarf einer gesonderten Vereinbarung unter Beachtung der § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB. Allein aus der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann regelmäßig nicht auf die Aufhebung eines zuvor arbeitsvertraglich vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots geschlossen werden.
Die Wettbewerbstätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann nur für die maximale Dauer von zwei Jahren untersagt werden. Ein Wettbewerbsverbot sollte zudem immer regeln, für welches räumliche Gebiet es gelten soll (beschränkt auf eine Stadt oder ein Bundesland, deutschland-, europa- oder gar weltweit). Fehlt es daran, so gilt das Verbot unbeschränkt, also weltweit. Allerdings werden hierbei häufig die Grenzen des § 74a Abs. 1 HGB übersehen. Gem. § 74a Abs. 1 S. 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Mittlerweile erkennt die Rechtsprechung nur noch zwei legitime Gründe für Wettbewerbsverbote an: Zum einen den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, zum anderen den Schutz vor Einbruch des ausgeschiedenen Mitarbeiters in Kunden- oder Lieferantenkreise. Mangels berechtigten geschäftlichen Interesses unverbindlich ist z.B. ein Wettbewerbsverbot, das
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den ausgeschiedenen Mitarbeiter lediglich im Kampf um künftige Kunden ausschalten soll; |
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der Schwächung eines bestimmten Konkurrenten dient; |
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ausschließlich der Sperrung eines qualifizierten Mitarbeiters für die Konkurrenz dient oder |
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lediglich dazu dient, einem Mitarbeiter den Arbeitsplatzwechsel zu erschweren. |
Darüber hinaus ist ein Wettbewerbsverbot gem. § 74a Abs. 1 S. 2 HGB unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers darstellt. Dies führt letztlich zu einer Übertragung der allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben auf die besonderen Gegebenheiten der Wettbewerbsabrede.
Rz. 415
Erforderlich ist, dass für die Dauer des Verbots eine Karenzentschädigung gezahlt wird, die für jedes Jahr des Verbots mindestens 50 % der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Hierbei sind nicht nur die Grundvergütung, sondern auch Nebenleistungen (z.B. geldwerter Vorteil des auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Dienstwagens) zu berücksichtigen. Wird die Grenze der 50-prozentigen (Mindest-)Karenzentschädigung unterschritten, ist das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer unbeachtlich: Er kann selbst entscheiden, ob er das nachvertragliche Wettbewerbsverbot beachtet und die (zu geringe) Karenzentschädigung verlangt oder das Wettbewerbsverbot nicht einhält. Die Karenzentschädigung kann – soweit dies ausdrücklich geregelt wird – auch in der Abfindung enthalten sein. Bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gelten die § 74 ff. HGB nicht. Allerdings kann sich die Notwendigkeit zur Zahlung einer Karenzentschädigung in diesen Fällen aus § 242 BGB ergeben.
Rz. 416
Falls bereits im Arbeitsvertrag eine Vereinbarung gem. §§ 74 ff. HGB getroffen wurde, kann diese umgekehrt auch jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden, z.B. im Aufhebungsvertrag. Weigert sich der Arbeitnehmer, einer Aufhebung zuzustimmen, hat der Arbeitgeber gem. § 75a HGB bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Ein solcher Verzicht muss durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen. Es hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Wettbewerb treiben kann und der Arbeitgeber mit Ablauf eines Jahres seit der Verzichtserklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei wird.
Rz. 417
Praxishinweis
Wird der Schutz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots dauerhaft nicht mehr benötigt, sollte möglichst frühzeitig gegenüber dem Arbeitnehmer schriftlich auf dessen Einhaltung verzichtet werden. Je früher der Verzicht erfolgt, desto geringer ist die Zeitspanne, für die unter Umständen noch die vereinbarte Karenzentschädigung gezahlt werden muss. Erfolgt der Verzicht ein Jahr vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers (oder sogar früher), entfällt die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung vollends.
Rz. 418
Ob eine allgemeine Erledigungsklausel ein zuvor vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot erfasst, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Es empfiehlt sich eine eindeutige Regelung.