Rz. 161
Verstößt eine Regelung in AGB gegen §§ 307 ff. BGB oder ist sie – z.B. wegen ihres im Sinne von § 305c BGB überraschenden Charakters – nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden, stellt sich die weitere Frage, welche Ausmaße die hierdurch verursachte Vertragslücke im Detail hat. Wie bereits erläutert, ordnet § 306 Abs. 1 BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen in Abweichung von § 139 BGB an, dass die Unwirksamkeit oder Nichteinbeziehung einzelner Regelungen die Wirksamkeit des Vertrags "im Übrigen" nicht berührt. Die Regelung setzt damit sowohl die Teilbarkeit des Vertrags insgesamt als auch die Teilbarkeit einzelner AGB voraus.
Rz. 162
Gerade dann, wenn nur einzelne Elemente einer Klausel rechtlich zu beanstanden sind oder nicht wirksam einbezogen wurden, stellt sich die Frage, ob dies die Unwirksamkeit der Klausel insgesamt nach sich zieht oder ob nicht auch die einzelne Klausel in Teilen ("im Übrigen") aufrechterhalten werden kann. Als Grundregel folgt insoweit schon aus der Formulierung des § 306 Abs. 1 BGB, dass bei teilbaren Regelungen stets nur der nicht einbezogene oder rechtsunwirksame Teil betroffen ist, die übrigen Teile der Regelung hiervon jedoch unberührt bleiben. Ob eine Regelung teilbar ist oder nicht, ist nach Auffassung des BAG durch eine Streichung des unwirksamen bzw. nicht wirksam einbezogenen Teils der Regelung zu bestimmen: Maßgeblich soll sein, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich und inhaltlich abgrenzbar ist.
Rz. 163
Eine sprachliche Abgrenzbarkeit im vorgenannten Sinne ist dann gegeben, wenn auch nach dem Wegstreichen des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung verbleibt (sog. "blue-pencil-Test"). Verbleibt nach Vornahme der Streichung keine verständliche Regelung und ist die Regelung damit schon sprachlich nicht teilbar, so spricht dies auch für eine inhaltliche Unteilbarkeit. Ist eine sprachliche Abgrenzbarkeit in diesem Sinne dagegen zu bejahen, ist dies ein Indiz auch für inhaltliche Teilbarkeit. Der sprachlichen Teilbarkeit steht es nicht entgegen, dass der verbleibende Teil der Klausel wegen der mit der Streichung verbundenen Auflösung sprachlicher Verschränkungen auslegungsbedürftig wird. Die Rechtsprechung geht vielmehr davon aus, dass die Frage der Auslegungsbedürftigkeit der verbleibenden Restregelung nicht die Frage der inhaltlichen Eigenständigkeit, sondern vielmehr die Frage der Transparenz der Regelung betrifft und aus der Auslegungsbedürftigkeit keinesfalls automatisch die Intransparenz der Regelung geschlossen werden kann. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach der Rechtsprechung auch der unwirksame Teil einer Klausel keineswegs im Zuge des blue-pencil-Tests gänzlich "unter dem blauen Stift verschwindet", sondern durchaus bei der Auslegung des verbleibenden Teils der Regelung berücksichtigt werden kann!
Rz. 164
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und der Handhabung des "blue-pencil-test" durch die Rechtsprechung empfiehlt es sich bei der Vertragsgestaltung vielfach, eine einheitliche Regelung sprachlich in Einzelelemente zu zerlegen, indem etwa Teilfragen der Klausel jeweils in einem neuen, sprachlich eigenständigen Satz abgehandelt werden. Ein solches Vorgehen ist unter Umständen geeignet, die Folgen der Unwirksamkeit jedenfalls auf ein Minimum zu begrenzen, wenn das Gericht nur bestimmte Teile einer Regelung beanstandet. Zu bedenken ist dabei allerdings auch, dass eine sprachliche Zersplitterung einer einheitlichen Regelung mit dem seitens des Klauselverwenders verfolgten Ziel einer möglichst weitestgehenden Aufrechterhaltung offensichtlich mit dem aus § 306 BGB ebenfalls abgeleiteten Verbot der geltungserhaltenden Reduktion kollidiert. Die erreichbaren Auswirkungen sprachlicher Gestaltung sollten daher auch nicht überschätzt werden.
Rz. 165
Die Anwendbarkeit des § 306 Abs. 1 BGB kann schließlich ausgeschlossen sein, wenn eine der Hauptleistungspflichten dergestalt unwirksam oder nicht einbezogen ist, dass mangels Bestimmtheit oder jedenfalls Bestimmbarkeit von essentialia negotii ein (jedenfalls in Teilen) wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Wegen der grundsätzlichen Kontrollfreiheit der Hauptleistungsabreden kommt dies allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn aufgrund einer möglichen Verletzung des Transparenzgebots eine Unwirksamkeit der Hauptleistungsabrede in Betracht kommt (vgl. § 307 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 BGB).