Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 54
Die Möglichkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe muss vor der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen überprüft werden. Insbesondere, wenn die Erteilung des Mandats erst nach Abschluss des Erkenntnisverfahren erfolgt. Die für das Erkenntnisverfahren gewährte Prozesskostenhilfe bezieht sich nicht auf die Zwangsvollstreckung, sondern ist dafür gesondert zu beantragen. Sie orientiert sich – wie auch im Erkenntnisverfahren – an den Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO. Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 117 Abs. 1 S. 3 ZPO (bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht). Sie folgt der Zuständigkeit für die Hauptsache.
Rz. 55
Im Falle der Mobiliarzwangsvollstreckung umfasst die Bewilligung nach § 119 Abs. 2 ZPO alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens über die Abnahme der Vermögensauskunft und die Vermögensauskunft Dritter. Für die sonstige (Immobiliar-)Zwangsvollstreckung kann die Prozesskostenhilfe nur für einzelne Verfahrensziele, nicht aber z.B. für das gesamte Zwangsversteigerungsverfahren bewilligt werden.
Rz. 56
Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zwischen der Bewilligung für die Kosten der Zwangsvollstreckung selbst (Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten) sowie der Beiordnung und der Übernahme der Kosten für einen Rechtsanwalt differenziert (§ 121 Abs. 2 ZPO). Sie wird bewilligt, wenn die Beiordnung erforderlich erscheint. In Verfahren ohne Anwaltszwang ist nach § 121 Abs. 2 ZPO u.a. ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Partei dies beantragt und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, d.h. wenn Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen in mündlicher oder schriftlicher Form zu veranlassen. Danach hängt die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts einerseits von der Schwierigkeit der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie und andererseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers ab. So hat der BGH entschieden, dass die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel wegen der Regelung des § 850d ZPO es in der Regel geboten erscheinen lassen, einen Rechtsanwalt beizuordnen. Ebenso ist dem minderjährigen Unterhaltsgläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein Rechtsanwalt beizuordnen. Er muss nicht den Beistand des Jugendamtes beantragen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es unter Berücksichtigung der vorherigen Ausführungen auf den Einzelfall ankommt und dass nicht jede Beiordnung im Erkenntnisverfahren eine Beiordnung in der Zwangsvollstreckung nach sich zieht. In einfachen Fällen verweisen die Gerichte auf die Rechtsantragsstellen (§ 24 RPflG).
Rz. 57
Hinweis
In neuerer Zeit darf dabei nicht übersehen werden, dass der Verordnungsgeber mit den verbindlichen Formularen für die Zwangsvollstreckung nach der Zwangsvollstreckungsformularverordnung neue Hürden geschaffen hat. Einem Normalbürger ist es kaum zumutbar und möglich die Formulare ohne rechtlichen Beistand auszufüllen.
Rz. 58
Falls der Mandant rechtsschutzversichert ist, sollte bedacht werden, dass gemäß den Musterbedingungen (§ 2 Abs. 3b ARB 1975, § 5 Abs. 3d ARB 1994/2000/2008 sowie § 3 ARB 2012) lediglich die Kosten für drei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen getragen werden und dass der zugrunde liegende Titel nicht länger als fünf Jahre rechtskräftig sein darf. Durch den Umstand, dass mittlerweile jede Versicherung eigene Bedingungen hat, sollte dies im Zweifel durch Einsichtnahme in die Bedingungen der Rechtschutzversicherung des Mandanten geprüft werden.
Rz. 59
Tipp
In taktischer Hinsicht muss gesehen werden, dass es sinnvoll sein kann, dass der Mandant die "einfachen" Vollstreckungsmaßnahmen ins eigene Risiko nimmt und an die Rechtsschutzversicherung erst herantritt, wenn es komplizierter und teurer wird, etwa eine Einziehungsklage gegen den Ehegatten des Schuldners als Arbeitgeber oder sonstiger Drittschuldner oder gar einem Anfechtungsprozess wegen der Verschiebung von Vermögensgegenständen durch den Schuldner an einen Dritten.