Rz. 52
Besondere Relevanz im Rahmen der Erstattung hat die Regelung des § 15a Abs. 3 RVG. Danach kann sich ein Dritter nur auf die Anrechnung berufen, soweit er
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den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, |
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wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder |
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beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. |
Dies gilt auch für Altfälle, wie der BGH in ständiger Rechtsprechung geklärt hat.
Rz. 53
Während es bei der Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit gegenüber dem Auftraggeber in der Regel keine Rolle spielen dürfte, in welcher Reihenfolge eine Anrechnung zwischen den Gebühren erfolgt, ist dies im Verhältnis zu Dritten umso wichtiger. Denn nicht immer ist ein Dritter verpflichtet, sämtliche angefallenen Gebühren zu tragen. Auch wenn die Regelung bereits seit einigen Jahren existiert, scheint sie sich nach wie vor noch nicht bei allen im Bewusstsein verankert zu haben.
In der Praxis kommt es hier insbesondere im Rahmen der Festsetzung noch zu Streitigkeiten. Und auch für die im Sozialrecht tätigen Rechtsanwälte bekam das Thema neuen Schwung, da mit dem 2. KostRMoG 2013 auch hier das Anrechnungsmodell eingeführt wurde, vermutlich sehr zum Ärger der Behörden und Staatskasse. Manch einer mag die Brisanz der Sache vielleicht nicht ganz nachvollziehen, immerhin erhält er das Geld normalerweise vom Auftraggeber. Dieser wird allerdings nicht unbedingt begeistert sein, wenn er erfährt, dass er weniger erstattet erhielt als möglich gewesen wäre und sich vielleicht die Frage nach der Haftung stellen. Daher sollte auch im eigenen Interesse die Regelung aus dem "Effeff" beherrscht werden.
1. Festsetzung
Rz. 54
Wurde der Klageantrag des Klägers auf Zahlung der Geschäftsgebühr mangels materiell-rechtlichem Ersatzanspruchs zurückgewiesen, kann er bei entsprechender Kostengrundentscheidung im Falle des Obsiegens bei der Festsetzung die ungeminderte Verfahrensgebühr beanspruchen. Gleiches gilt für den Beklagten, der in der Regel die vorgerichtliche Geschäftsgebühr nicht ersetzt bekommt. Der verbleibende Schaden beim Mandanten mindert sich so auf die halbe Geschäftsgebühr. Ist nur ein Teil der Geschäftsgebühr tituliert oder gezahlt, gilt auch hier, dass die Anrechnung nur insoweit zu erfolgen hat, soweit die Zahlung oder Titulierung erfolgt ist.
Rz. 55
Da sich nach § 15a Abs. 3 RVG der Dritte auf die Anrechnung berufen kann, ist diese in der Regel nicht von Amts wegen vorzunehmen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich aus den Gerichtsakten oder dem Festsetzungsantrag eindeutig ergibt, dass die Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 RVG (Abs. 2 a.F.) vorliegen. In diesem Fall darf der Rechtspfleger oder Urkundsbeamte nicht sehenden Auges eine falsche Entscheidung treffen. Andernfalls würden mehr an Gebühren tituliert, als überhaupt angefallen sind.
a) Vergleich
Rz. 56
Besonders haftungsträchtig und streitanfällig ist die Anrechnung bei Abschluss eines Vergleichs. Hier wird bei den Vergleichsverhandlungen leider oft die Anrechnung aus den Augen verloren. Das böse Erwachen kommt dann bei der Festsetzung. Dabei hat sich der BGH bereits 2010 ausführlich zu den Voraussetzungen der Gebührenanrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nach einem Prozessvergleich geäußert. Eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgt nur, wenn sich aus dem Vergleich eindeutig ergibt, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr mit umfasst ist. Dies ist jedoch insbesondere bei der weit verbreiteten Formulierung, wonach zur Abgeltung aller Ansprüche ein Betrag X gezahlt wird, nicht der Fall. Zwar reicht es einigen Untergerichten auch aus, wenn sich aus den Umständen ergibt, in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr mit einbezogen wurde. Dieses (Haftungs-)Risiko sollte der Anwalt jedoch keinesfalls eingehen.
Rz. 57
Praxistipp
Der Vertreter des Erstattungspflichtigen sollte bei der Formulierung des Vergleichs genau darauf achten, dass die von dem Vergleichsbetrag mitumfasste Geschäftsgebühr genau bestimmt ist, z.B. "In dem Vergleichsbetrag ist auch eine … Geschäftsgebühr aus einem Wert von … enthalten".
b) Anwaltswechsel
Rz. 58
Auch wenn aufgrund eines Anwaltswechsels zwischen den verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten nach dem RVG keine Anrechnung vorzunehmen ist, kommt der erstattungspflichtige Dritte unter Umständen wie bei einem Anwaltswechsel innerhalb des Verfahrens auf die Idee, sich unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Kosten dennoch auf eine fiktive Anrechnung zu berufen. Für die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens hat der BGH jedo...