Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 9
Wie bei der ordentlichen Kündigung ist auch bei der außerordentlichen Kündigung zwischen der Beendigungskündigung und der Änderungskündigung zu unterscheiden. Eine außerordentliche Änderungskündigung kommt nur selten vor. Sie kommt in Betracht, wenn die ordentliche Kündigung durch Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag ausgeschlossen ist. Auf die außerordentliche Änderungskündigung ist § 2 KSchG anzuwenden. Die außerordentliche Änderungskündigung setzt voraus, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die neuen Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist beispielsweise grundsätzlich bei Vorliegen einer existenzbedrohenden Lage des Arbeitgebers unabweisbar notwendig. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gem. § 106 S. 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine "Änderung der Arbeitsbedingungen" i.S.v. § 2 S. 1, § 4 S. 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist "überflüssig". Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet. Es kann in diesem Fall schlechterdings nicht festgestellt werden, der Änderung der Vertragsbedingungen fehle es an einem wichtigen Grund oder sie sei aus anderen Gründen rechtsunwirksam.
Rz. 10
Eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit Auslauffrist eines tariflich ordentlich Unkündbaren ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Änderungskündigung sind beträchtlich und gehen über die Anforderungen an eine ordentliche Änderungskündigung deutlich hinaus. Bereits eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur dann wirksam, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist und sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Für die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung müssen demgegenüber erheblich verschärfte Maßstäbe gelten. Anderenfalls bliebe der vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wirkungslos. Der besonderen Bindung muss der Arbeitgeber insbesondere bei Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet, gerecht werden. Nicht jede mit dem Festhalten am Vertragsinhalt verbundene Last kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung bilden. Entscheidender Gesichtspunkt ist, ob das geänderte unternehmerische Konzept die vorgeschlagenen Änderungen erzwingt, ob diese unabweisbar notwendig und dem Arbeitnehmer zumutbar sind oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen durchsetzbar wäre. Stehen mehrere Möglichkeiten der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet. Deswegen hat der Arbeitgeber auch darzulegen, weshalb naheliegende oder bereits vorprozessual oder im Rechtsstreit diskutierte alternative Beschäftigungen nicht infrage kommen, wobei diese Pflicht nicht dazu führt, dass der Arbeitgeber jede denkbare andere Beschäftigungsmöglichkeit auszuschließen hat.