Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 23
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung im Allgemeinen eine Abmahnung notwendig. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.
Rz. 24
Eine vorherige Abmahnung ist z.B. nicht erforderlich, wenn es für den Arbeitnehmer offensichtlich war, dass der Arbeitgeber die Privatnutzung des Diensthandys im Dienstmodus zum Führen privater Telefonate im Ausland auf seine Kosten nicht duldet. Die unterbliebene oder verzögerte Kontrolle der ordnungsgemäßen Telefonbenutzung allein führt nicht zum Abmahnungserfordernis. Jeder Arbeitnehmer hat sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedarf. Der Arbeitnehmer kann nicht erwarten, technisch verhinderbarer Missbrauch werde geduldet oder aber noch nicht als schwerer und das Vertragsverhältnis gefährdender Pflichtverstoß angesehen. Der Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber in anderen Fällen gegenüber Arbeitnehmern wegen unerlaubter Privatnutzung des Diensthandys eine Abmahnung ausgesprochen hat. Die Unwirksamkeit einer Kündigung kann nicht unmittelbar aus einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hergeleitet werden. Dem steht das Erfordernis entgegen, bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen. Dies schließt mittelbare Auswirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Interessenabwägung nicht aus, wenn der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündigt und daraus zu schließen ist, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.