Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 41
Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine außerordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen möglich. Im Einzelfall können Krankheit, fehlende charakterliche Eignung, die Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder der Entzug der Ausbildungsbefugnis eines Ausbilders, Verlust der Fahrerlaubnis bei einem Berufskraftfahrer eine außerordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen rechtfertigen. Grundsätzlich sind personenbedingte Gründe aber nur dann kündigungsrelevant, wenn sie zu einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses führen, sodass ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist.
Rz. 42
Krankheit kann eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise rechtfertigen, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Krankheit ist als wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB nicht grundsätzlich ungeeignet. An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ist zwar schon bei einer ordentlichen Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber auch unzumutbar i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB sein kann. Da die Einhaltung der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar sein dürfte, wird eine Kündigung aus wichtigem Grund aber nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen, wobei grundsätzlich die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ist. Wie bei der ordentlichen Kündigung hat die Prüfung in drei Stufen (negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes; erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen; Interessenabwägung) zu erfolgen. Bei einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ist der schon bei einer ordentlichen Kündigung zu beachtende strenge Prüfungsmaßstab auf allen drei Prüfungsstufen erheblich verschärft. Er muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind.
Rz. 43
Bei häufigen Kurzerkrankungen ist Kündigungsgrund nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Für die Erstellung der Gesundheitsprognose ist ein Referenzzeitraum von drei Jahren anzulegen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB sein. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten. An eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist. Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung in diesem Fall ist, dass die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen deutlich über das Maß hinausgehen müssen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Das Missverhältnis ist anhand der Ausgestaltung des dem Arbeitnehmer eingeräumten Sonderkündigungsschutzes zu bestimmen. Der Arbeitgeber übernimmt durch den besonderen Kündigungsschutz bestimmte Risiken, deren Ausmaß ohne explizit normierte Anhaltspunkte durch Auslegung zu ermitteln sind. Knüpft der Sonderkündigungsschutz an die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter an und greift der Schutz schon nach vergleichsweise kurzer Betriebszugehörigkeit und geringem Lebensalter, ist nicht anzunehmen, dass der Arbeitgeber das Risiko übernehmen wollte, dass das vertragliche Austauschverhältnis aus in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Gründen außergewöhnlich schwer gestört ist. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist wegen gravierendem Missverhältnisses kann daher vorliegen, wenn der Arbeitgeber in mehr als einem Drittel der Jahresarbeitszeit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten muss.
Rz. 44
Die langjährige Arbeitsverhinderung aufgrund einer Strafhaft kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist darstellen. Ein personenbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegt grundsätzlich – unbeschadet einer abschließenden Interessenabwägung – zumindest dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt noch eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und eine vorherige Entlassung nicht sicher zu erwarten steht. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber r...