Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 101
Mandatsträger haben Sonderkündigungsschutz, z.B. als Mitglied des Ortsgemeinderats, Stadtrats u.a. So ist z.B. nach § 18a Abs. 4 GemO Rh-Pf die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Ratsmitglieder, der ehrenamtlichen Bürgermeister, Beigeordneten und Ortsvorsteher unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung nach § 626 BGB berechtigen.
Auch Mitglieder des Ortsbeirats einer Gemeinde in Rheinland-Pfalz können gem. § 75 Abs. 8 S. 4 i.V.m. § 18a Abs. 4 GO Rheinland-Pfalz nur außerordentlich gekündigt werden. Erklärt der Arbeitgeber gleichwohl eine ordentliche Kündigung, ist diese unwirksam, ohne dass eine Überprüfung der Kündigungsgründe erfolgt.
Rz. 102
Teilweise wird eine Verfassungswidrigkeit der Sonderkündigungstatbestände diskutiert. Nach Auffassung des ArbG Trier ist § 18a Abs. 4 S. 1 GemO Rheinland-Pfalz, wonach die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Ratsmitglieder, der ehrenamtlichen Bürgermeister, Beigeordneten und Ortsvorsteher unzulässig ist, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung nach § 626 BGB berechtigen, verfassungsgemäß, weil der sachliche Schutz des genannten Personenkreises vor ordentlichen Kündigungen wegen der großen Bedeutung der ehrenamtlichen Tätigkeit für die kommunale Selbstverwaltung gerechtfertigt sei.
Samartzis kritisiert den Sonderkündigungsschutz und die damit einhergehende arbeitsrechtliche Privilegierung für Freizeitpolitiker. Dass Arbeitnehmern, die kommunale Mandatsträger sind, nach einigen landesrechtlichen Gemeindeordnungen nicht oder nur aus wichtigem Grund gekündigt werden dürfe, führe die Grundsätze der Sozialauswahl nach dem KSchG ad absurdum.
Rz. 103
Eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gem. § 15 KSchG gegenüber dem geschützten Personenkreis unzulässig. Kommt eine Vertragspflichtverletzung in Betracht, ist für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber i.S.v. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen. Ist eine Beschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung unwirksam. Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus Gründen im Verhalten des Mandatsträgers, die mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB als solche unwirksam ist, kann nicht in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist oder in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden.
Rz. 104
Das Arbeitsgericht Trier hat der Kündigungsschutzklage eines ehrenamtlichen Bürgermeisters stattgegeben, weil der Arbeitgeber "ordentlich" und "fristgemäß" gekündigt hatte, sodass er sich später im Kündigungsschutzprozess bezüglich der Zulässigkeit dieser Kündigung nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 18a Abs. 4 GemO Rh-Pf berufen konnte. Das Arbeitsgericht Trier hat darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber bereits bei Ausspruch der Kündigung deutlich machen muss, dass nach seiner Auffassung Tatsachen vorliegen, die ihn zur Kündigung nach § 626 BGB berechtigen.
Rz. 105
Sonderkündigungstatbestand in Gemeindeordnungen – Bestehen des Sonderkündigungsschutzes nach Bundesländern
Bundesland |
Sonderkündigungsschutz nach Landesrecht |
Baden-Württemberg |
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§ 32 GO
▪ |
Benachteiligungsverbot |
▪ |
Kündigung wegen ehrenamtlicher Tätigkeit wird untersagt |
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https://dejure.org/gesetze/GemO/32.html
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§ 26 Landkreisordnung
▪ |
Benachteiligungsverbot |
▪ |
Kündigung wegen ehrenamtlicher Tätigkeit wird untersagt |
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https://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/t/mil/page/bsbawueprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-LKreisOBWV22P26&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint |
Bayern |
Kein besonderer Kündigungsschutz für Gemeinderatsmitglieder oder Kreistagsmitglieder |
Berlin |
§ 10 Bezirksverwaltungsgesetz Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen der Tätigkeit als Bezirksverordnete oder Bezirksverordneter ist auch nach Beendigung der Mitgliedschaft in einer Bezirksverordnetenversammlung unzulässig. https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-BezVwGBE2011V10P10 |
Brandenburg |
§ 30 Kommunalverfassung
▪ |
Benachteiligungsverbot der Gemeindevertreter |
▪ |
Kündigung wegen ehrenamtlicher Tätigkeit wird untersagt |
https://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgkverf |
Bremen |
Kündigungsschutz für Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung: Eine Kündigung oder Entlassung wegen der Bewerbung, der Annahme oder Ausübung des Mandats ist unzulässig. Eine Kündigung ist im Übrigen nur aus wichtigem Grund zulässig. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Aufstellung der Bewerberin oder des Bewerbers durch das dafür zuständige Organ der Partei oder Wählervereinigung. Für Einzelbewerberinnen oder Einzelbewerber beginnt der Kündigungsschutz mit Zulassung des Wahlvorschlags durch den Stadtwahlausschuss. Er gilt ein Jahr nach... |