Rz. 783
Rz. 784
OLG Hamm
Ein Fußgänger (1) verhält sich grob verkehrswidrig, wenn er eine vierspurige innerstädtische Straße mit fließendem Verkehr an einer Stelle zu überqueren versucht, an der ein Überqueren durch eine Sperrstange für Fußgänger auf der einen und Grünanlagen auf der anderen Seite gerade verhindert werden soll (Straßenbreite 13,6 m). Ein auf der vierten Spur fahrender Kraftfahrer (2) handelt nicht schuldhaft, wenn er bei einem Fußgänger auf der zweiten Fahrspur darauf vertraut, dieser werde ihn erkennen und vorbeifahren lassen. Der Kfz-Halter des Pkw (2) haftet aus der Betriebsgefahr des Pkw zu 20 % für den Schaden des Fußgängers (1).
Rz. 785
BGH
Ein Fußgänger, der die Straße überqueren will und dazu einen Überweg benutzt, darf nicht blindlings darauf vertrauen, dass ein herannahendes Fahrzeug das Vorrecht des Fußgängers beachtet. Bevor der Fußgänger die Fahrbahn betreten möchte, hat er sich von der Verkehrslage durch einen kurzen Blick Gewissheit zu verschaffen und bei einer erkennbaren Gefahrenlage mit der Überquerung der Fahrbahn zu warten. Unterlässt er dies, haftet er zu 50 %. Etwas anderes gilt, wenn der Autofahrer durch kurzes Abbremsen den Unfall hätte vermeiden können, weil der Fußgänger dann die Straße vollständig hätte überqueren können. Unter diesen Umständen haftet der Autofahrer zu 100 %.
Rz. 786
OLG Rostock
Ein Kraftfahrer (2) braucht aufgrund des Vertrauensgrundsatzes bei erwachsenen Fußgängern nicht mit einem verkehrswidrigen Verhalten rechnen. Er kann in der Regel annehmen, dass der Fußgänger, der beim Herannahen des Fahrzeuges neben der Fahrbahn stehen bleibt, das Fahrzeug bemerkt hat und es vorbeilässt. Dieser Vertrauensgrundsatz gilt jedoch nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Fußgänger nicht zuverlässig verkehrsgerecht verhält. In diesem Fall muss der Kraftfahrer seine Geschwindigkeit im Hinblick auf § 3 Abs. 1 StVO deutlich herabsetzen und darf auf einer Bundesstraße nicht mit 80 km/h am Fußgänger vorbeifahren. Solche Anhaltspunkte sind gegeben, wenn ein Fußgänger außerorts auf der Bundesstraße auf der Mitte der linken Fahrbahn stehen bleibt, obwohl er mehr als ausreichend Zeit hatte, über die Straße zu gehen.
Rz. 787
OLG Hamburg
Wird ein Fußgänger von einem von links kommenden Kraftfahrzeug auf dessen rechter Fahrbahnseite angefahren, spricht nach § 25 Abs. 3 StVO ein Anscheinsbeweis für die Unaufmerksamkeit des Fußgängers, wenn eine Überquerungshilfe für Fußgänger nicht eingerichtet ist. Kann der Fußgänger auch nicht nachweisen, dass der Kfz-Fahrer zu spät oder unzureichend reagiert hat, obwohl ihm eine Reaktionsmöglichkeit verblieb, tritt im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge die dem motorisierten Verkehrsteilnehmer einzig anzulastende einfache Betriebsgefahr seines Fahrzeugs vollständig zurück. Der Fußgänger haftet zu 100 %.
Rz. 788
OLG Hamburg
Ein Fußgänger (1) haftet zu 70 %, wenn er von einer Fußgängerinsel aus die Fahrbahn betritt, obwohl sich erkennbar Fahrverkehr nähert.
Rz. 789
OLG Brandenburg
Eine fünfzehnjährige Fußgängerin haftet zu 100 %, wenn sie – durch die Bedienung ihres Handys abgelenkt – unvermittelt und ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten auf die Straße tritt und von einem herannahenden Bus erfasst wird. Sie begeht einen gravierenden Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO, wenn sie – durch die Bedienung ihres Handys abgelenkt – unvermittelt und ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten auf die Straße tritt und von einem herannahenden Bus erfasst wird. Das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 S. 2, § 4 StVO) gilt nicht für plötzlich von der Seite auf die Fahrbahn gelangende Hindernisse, sondern betrifft die Sicht vor dem Fahrzeug. Dies gilt auch bei einer Fußgängerin, die sich am rechten Fahrbahnrand befindet und plötzlich die Straße betritt.
Rz. 790
KG
Betritt ein Fußgänger trotz des im Abstand von 40 m herannahenden Motorrads die Fahrbahn von rechts, tritt die Betriebsgefahr des Motorrads hinter das grobe Verschulden des Fußgängers zurück. Dies gilt vor allem, wenn den Motorradfahrer kein Verschulden am Unfall trifft. Fußgänger, die eine Fahrbahn überqueren, haben sich sorgfältig davon zu überzeugen, ob diese frei ist. Unterbleibt dies und kommt es zum Zusammenstoß mit einem Kfz, haftet der Fußgänger alleine.
Rz. 791
OLG Celle
Die besondere Rücksicht und Wartepflicht des Abbiegenden gem. § 9 Abs. 3 S. 3 StVO besteht gegenüber Fußgängern, mit denen man zu rechnen hat. Fußgänger, die eine Fahrbahn nahe dem Kreuzungs- oder Einmündungsbereich unter Missachtung ihrer Verpflichtung, den nebenan (hier: ca. 20 m) liegenden Ampel geregelten Übergang zu nutzen, überschreiten, verhalten sich verkehrswidrig. Ein derartiges Verhalten ist nicht so typisch, dass allgemein damit gerechnet werden müsste. Für solche Fußgänger gelten die zu § 25 Abs. 3 StVO entwickelten Regeln. Der Fahrzeugführer (2) musste nicht damit rechnen, dass von der ihm gegenüber liegenden Fahrbahnseite und abseits de...