Rz. 1634
Rz. 1635
OLG Saarbrücken
Stößt ein Pkw (2) mit einem anderen Kfz zusammen und erleidet der Beifahrer (2) hierbei Verletzungen, weil er nicht angegurtet ist, hat er eine Mithaftung von 50 % bei dem Augenschaden, den er bei dem Unfall erleidet und den er nicht erlitten hätte, wenn er angeschnallt gewesen wäre. Der Fahrer seines Kfz (2) haftet mit 20 %, der die Vorfahrt missachtende Pkw-Fahrer (1) zu 80 %.
Rz. 1636
BGH
Der Tatrichter ist nicht gehindert, im Einzelfall den Geschädigten trotz Verstoßes gegen die Anschnallpflicht aus § 21a Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der Unfallbeiträge nach § 254 Abs. 1 BGB von der Mithaftung für die Unfallschäden freizustellen. Zwar gewinnt der Schadensbeitrag eines Geschädigten, der sich zugleich als Verstoß gegen eine Rechtspflicht darstellt, für die Abwägung ein erhöhtes Gewicht. Allerdings ist die Abwägung der Schadensbeiträge nach § 254 Abs. 1 BGB davon abhängig, dass bei der Entstehung des Schadens ein "Verschulden" des Geschädigten mitgewirkt hat. Dabei versteht § 254 Abs. 1 BGB unter dem Begriff des Verschuldens nicht jede vorwerfbare Verletzung einer Rechtspflicht, sondern die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.
Rz. 1637
BGH
Einem Kfz-Insassen, dessen Unfallverletzungen durch die Benutzung des Sicherheitsgurtes vermieden oder vermindert worden wären, kann das Nichtangurten nur dann nicht nach § 254 Abs. 1 BGB als Mitverschulden angelastet werden, wenn für ihn nach § 21a Abs. 1 StVO keine Gurtanlegepflicht bestand bzw. wenn ihm eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO von der Straßenverkehrsbehörde hätte erteilt werden müssen, falls er eine solche beantragt hätte. Voraussetzung für die Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung ist, dass infolge des Anlegens des Gurtes für den Betroffenen konkret ernsthafte Gesundheitsschäden zu befürchten sind, denen auf anderem Wege nicht vorgebeugt werden kann.
Rz. 1638
BGH
Es besteht kein Anlass, für Frauen eine Ausnahme von der Gurtanlegepflicht zu machen. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass das Nichtanlegen des Gurtes für die Verletzungen ursächlich war. Die Wahrscheinlichkeit einer höheren Verletzungsgefahr durch den Gurt ist bei Frauen nicht höher als bei Männern. Insbesondere fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die gurtspezifische Verletzungsgefahr bei Frauen im Ergebnis gegenüber dem Nutzen des Gurtes schwerer ins Gewicht fällt.
Rz. 1639
OLG Brandenburg
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist zu berücksichtigen, ob dem Geschädigten ein Mitverschulden hinsichtlich der erlittenen Verletzungen anzulasten ist, wenn er als Motorradfahrer keine Schutzkleidung getragen hat. Zwar existieren anders als bei der Helmpflicht keine gesetzlichen Vorschriften darüber, dass jeder Motorradfahrer über das Tragen eines Helmes hinaus insgesamt eine Motorradschutzkleidung zu tragen hat. Ein Mitverschulden des Verletzten ist aber anzunehmen, wenn er die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.
Rz. 1640
OLG Naumburg
Wer entgegen § 21a Abs. 1 S. 1 StVO den Sicherheitsgurt nicht anlegt, haftet grundsätzlich mit, wenn er bei einem Unfall verletzt wird (§ 254 Abs. 1 BGB). Bei schweren Frontalkollisionen mit hohen Geschwindigkeiten ist die Ursächlichkeit der erlittenen Unfallverletzungen jedoch nicht zu vermuten, wenn der Verletzte den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, sondern in den Airbag geprallt ist. Unter diesen Umständen muss der Schädiger beweisen, dass der Verletzte diese Verletzungen bei angelegtem Sicherheitsgurt nicht erlitten hätte. Für die Haftungsverteilung ist entscheidend, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat.
Rz. 1641
OLG Celle
Ist unstreitig oder steht nach einer Beweisaufnahme fest, dass der Verletzte bei dem Verkehrsunfall entgegen § 21a Abs. 1 S. 1 StVO den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte und die erlittenen Verletzungen in erheblichem Umfang auf diesem Umstand beruhen, ist der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 110 Abs. 1 S. 1 SGB wegen des dem Sozialversicherungsträger zuzurechnenden Mitverschuldens des Versicherten in angemessenem Umfang – hier mit 40 % – zu kürzen. Die Bemessung des Mitverschuldens erfolgt einheitlich; eine Differenzierung danach, ob einzelne Verletzungen oder Verletzungsfolgen bzw. die einzelnen Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers darauf zurückzuführen sind, dass der Geschädigte angegurtet war oder nicht, findet nicht statt.
Rz. 1642
OLG Celle
Wer als Schädiger einen auf die unterlassene Anlegung des Sicherheitsgurts gestützten Mitverschuldenseinwand erhebt, muss beweisen, dass der Verletzte bestimmte bei dem Unfall davongetragene Verletzungen nicht erlitten hätte, wenn er angeschnallt gewesen wäre. Zwar kann angesichts des Schutzzwecks von ...