Rz. 2661
Rz. 2662
KG
Der auf dem durchgehenden freien Fahrstreifen Befindliche (1) hat Vorrang vor dem auf der rechten Fahrspur an der Weiterfahrt Gehinderten (2) (Reißverschlussverfahren gem. § 7 Abs. 4 StVO). Danach ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Art und Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen befindlichen Fahrzeug einordnen können. Fahrer (1) haftet zu 25 % mit, weil er nicht Unfall verhütend seine Geschwindigkeit von 50 km/h zumutbar herabgesetzt hatte.
Rz. 2663
OLG Celle
Jeder Fahrstreifenwechsel erfordert äußerste Sorgfalt, auch wenn er nur teilweise vollzogen wird. Bei einer Verletzung kann dies zur alleinigen Haftung führen. Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Lkw und einem Pkw, weil die Pkw-Fahrerin bei stockendem Verkehr 600 m vor einer Engstelle auf die linke Fahrbahn wechseln wollte und sich vor die Sattelzugmaschine setzte, bleibt die Betriebsgefahr des Lkw unberücksichtigt.
Rz. 2664
OLG Köln
Auf "Verteilerfahrbahnen" besteht nach der augenblicklichen Rechtslage keine Vorfahrtsregelung. Es gilt nur die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Verständigung gem. § 1 Abs. 2 StVO. Die Zunahme solcher "Verteilerfahrbahnen" macht aber eine gesetzliche Regelung erforderlich.
Rz. 2665
OLG Köln
Auch bei zähfließendem Verkehr gilt beim Einfahren auf die Autobahn nicht das Reißverschlussverfahren. Vielmehr hat der Verkehr auf den durchgehenden Fahrbahnen Vorrang vor demjenigen auf der Beschleunigungsspur mit der Folge, dass bei einem Unfall zwischen einem Verkehrsteilnehmer, der vom Beschleunigungsstreifen auf die Autobahn einfährt und einem Fahrzeug auf der rechten Fahrspur ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Einfädelnden spricht; hier gilt § 18 Abs. 3 StVO. Nach dieser Vorschrift hat auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn – dazu gehören die Beschleunigungsstreifen nicht – Vorfahrt. Auf die Beachtung dieser Regelung darf der Benutzer der durchgehenden Fahrbahn auch vertrauen. Der einfahrende Verkehr ist wartepflichtig und darf nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert. Kommt es zum Unfall, haftet der Einfahrende – Wartepflichtige – zu 100 %.
Rz. 2666
OLG Saarbrücken
Ereignet sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel, spricht auch beim Reißverschlussverfahren der Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes, unfallursächliches Verhalten des Spurwechslers. Hat der Spurwechsler auf einer Autobahnauffahrt unter Überfahren einer schraffierten Sperrfläche unzulässigerweise rechts überholt, tritt die einfache Betriebsgefahr des überholten Kraftfahrzeugs bei der Haftungsabwägung im Einzelfall zurück. Der Spurwechsler haftet zu 100 %.