Rz. 764
Rz. 765
OLG Köln
Hat sich vor einer Ampel auf einer mehrspurigen Straße auf der mittleren Spur ein Stau gebildet, treffen einen die Spur wechselnden Fahrer (1) die Sorgfaltspflichten des § 7 Abs. 5 StVO nicht, wenn er in eine auf der mittleren Spur zwischen zwei Fahrzeugen bestehende Lücke so weit einfährt, dass der Fahrer des dort wartenden Fahrzeugs (2) ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen musste. Diesen trifft ein Verschulden, wenn er beim Anfahren mit dem schräg vor ihm stehenden Fahrzeug kollidiert. Lässt sich nicht klären, ob der Auffahrende (2) mit dem Fahrstreifenwechsel einverstanden gewesen war (z.B., weil sich die beiden Fahrzeugführer durch Handzeichen verständigt hatten), stellt das Unfallereignis für den, den Fahrstreifen wechselnden Fahrer (1) kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG a.F. dar. Der Fahrer (1) haftet wegen einer leicht erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs mit 30 %.
Rz. 766
OLG Hamm
Bei einem berührungslosen Unfall kann der Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis nur zugerechnet werden, wenn feststeht, dass dessen Fahrzeugführer über die bloße Anwesenheit des Fahrzeugs an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Dies ist für den Fahrzeugführer eines vorausfahrenden Kraftfahrzeugs bei einem Spurwechsel in eine Linksabbiegerspur nicht der Fall, wenn rückwärtiger Verkehr die Linksabbiegerspur seinerseits zum Abbiegen nutzt und dabei verkehrsbedingt aufgrund einer unstreitig auf Rotlicht springenden Ampel übermäßig stark bremsen muss, solange sich das vorausfahrende Kraftfahrzeug nach den unstreitigen und festgestellten Umständen sozusagen nur bei Gelegenheit zwischen der auf Rotlicht springenden Ampel und dem rückwärtigen Fahrzeug befand. Stürzt ein Fahrgast in einem Linienbus wegen einer außergewöhnlich starken Bremsung des Busfahrers, erfolgt dies hingegen beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs.
Rz. 767
OLG Hamm
Kommt es zu einer Kollision zwischen einem an der Lichtzeichenanlage anfahrenden Lkw und einem Pkw, der während der vorangegangenen Rotphase sein Fahrzeug nach einem vorgenommenen Fahrstreifenwechsel in eine vor dem Lkw vorhandene Lücke gelenkt hat, haftet der Pkw-Fahrer zu 70 %. Er hätte sich mit dem Lkw-Fahrer verständigen müssen. Dieser haftet aus der Betriebsgefahr heraus mit 30 %.
Rz. 768
OLG Köln
Wechselt der Fahrer eines Kfz die Fahrspur, hält er vor einer Ampel an und fährt er dann auf ein in dieser Spur fahrendes Kfz auf, so steht der Unfall noch zeitlich mit dem Wechsel der Spur in Verbindung und eine Verletzung des § 7 Abs. 5 StVO beim Spurwechsel ist gegeben. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Wahrung eines ausreichenden Abstands zum Vorausfahrenden liegt nicht vor, wenn sich ein Kfz erst durch einen Spurwechsel vor das eigene Kfz gesetzt hat.
Rz. 769
OLG Köln
Der Sorgfaltsmaßstab des § 7 Abs. 5 StVO betrifft nur den Fahrstreifenwechsel im fließenden Verkehr. Er findet keine Anwendung auf die Kollision eines anfahrenden mit einem stehenden Fahrzeug. Kommt es beim Wiederanfahren zu einer Kollision eines in einer Fahrzeugschlange vor einer Ampelkreuzung wartenden Fahrzeugführers mit einem Fahrer, der sich bereits zum Teil in die vor dem wartenden Fahrer befindliche Lücke eingeordnet hat, aber noch steht, und hätte der Anfahrende die Situation bei gehöriger Aufmerksamkeit richtig einschätzen können, beträgt die Haftungsquote 30 % zu 70 % zu Lasten des Auffahrenden. Der Spurwechsler ist in die vor dem Lkw befindliche Fahrzeuglücke hineingefahren, ohne sicher sein zu können, dass der Beklagte dieses Manöver bemerkt hatte. Er haftet deshalb aus der Betriebsgefahr.
Rz. 770
LG Köln
Der auf der Linksabbiegerspur die auf der Geradeausspur Fahrenden Überholende haftet zu 100 %, wenn es zu einem Auffahrunfall kommt. Der Spurwechsler scherte zu dem Zeitpunkt, als die Ampel für seine Fahrtrichtung auf Grünlicht umschaltete und das erste vor der Kreuzung stehende Fahrzeug nicht sofort anfuhr, etwa 15–20 Fahrzeuge weiter hinten aus der Schlange aus, um unter erheblicher Beschleunigung unter Benutzung der Linksabbiegerspur die noch stehenden Fahrzeuge zu überholen. Er wollte vor diesen wieder nach rechts einschwenken, um seine Geradeausfahrt fortzusetzen.
Rz. 771
AG Bad Segeberg
Kommt es in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel zu einem Unfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die sich aus § 7 Abs. 5 StVO für den Spurwechsler ergebenden Sorgfaltspflichten verletzt worden sind. Eine Pflicht zur Benutzung der Beleuchtungseinrichtungen gem. § 17 Abs. 1 S. 1 StVO besteht nicht nur bei Dunkelheit, sondern auch "während der Dämmerung". Frühestmöglicher Zeitpunkt für das Einsetzen der Dämmerung im Rechtssinne ist der Sonnenuntergang. Der Begriff der Dämmerung betrifft dabei die Übergangszeit von der Tageshelligkeit zur Dunkelheit. Die Beleuchtung des Fahrzeuges ist erforderlich, sob...