Rz. 85
Rz. 86
KG
Biegt ein Kfz (1) nach links in ein Grundstück ab, ohne dass dessen Fahrer rechtzeitig ein Blinkzeichen gegeben hätte, so kommt eine Mithaftung des Überholenden (2) nur in Betracht, wenn Umstände bewiesen sind, die für ein Mitverschulden des Überholenden sprechen. Eine unklare Verkehrslage, die ein Überholen verbietet, liegt nicht bereits dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt und sich etwas zur Fahrbahnmitte hin einordnet. Unter diesen Umständen haftet der Abbiegende (1) zu 100 %.
Rz. 87
OLG Rostock
Biegt ein nach links blinkender Lkw, der zusätzlich mit Rundum- und Blitzleuchten versehen ist, nach links ab und stößt er dabei mit einem überholenden Kfz zusammen, spricht der Beweis des ersten Anscheins zunächst für ein Alleinverschulden des Lkw-Fahrers. Er muss beweisen, dass er seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen ist. Hat er nur seine zweite Rückschaupflicht verletzt, haftet der Überholer zu 30 %, weil er mit unverminderter Geschwindigkeit das rundum blinkende Fahrzeug, das zusätzlich mittig eingeordnet war, überholen wollte.
Rz. 88
OLG Schleswig
Kommt es beim Linksabbiegen von einer Bundesstraße in ein Grundstück zu einer Kollision mit einem überholenden Motorrad, haftet der Linksabbieger zu 70 %, wenn er seiner doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen ist, er sich nicht zur Mitte hin eingeordnet hatte und der Motorradfahrer keinen Verkehrsverstoß begangen hat. Verlangsamt eine Fahrzeugkolonne ihr Tempo in einer Tempo-70-Zone auf ca. 50 km/h, begründet dies allein keine unklare Verkehrslage.
Rz. 89
OLG Hamburg
Beim Abbiegen in ein Grundstück muss eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein. Kommt es zu einer Kollision mit einem Überholenden, haftet der Grundstücksabbieger in der Regel allein. Werden die beim Abbiegen erforderlichen Sorgfaltsmaßnahmen, insbesondere der Rückschaupflicht wahrgenommen, kann ein überholendes Fahrzeug in der Regel nicht übersehen werden. Verlangsamt ein vorausfahrendes Fahrzeug die Geschwindigkeit, bedeutet dies isoliert betrachtet für den zum Überholen ansetzenden Hintermann noch keine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 STVO. Kann der Abbiegende nicht nachweisen, dass er seiner zweifachen Rückschaupfliht entsprochen hat, haftet er zu 100 %.
Rz. 90
OLG Hamburg
Der Anscheinsbeweis spricht gegen einen nach links in ein Grundstück einbiegenden Fahrzeugführer, wenn er mit einem überholenden Kfz zusammenstößt. Will der Abbiegende den Anscheinsbeweis erschüttern, muss er darlegen und beweisen, dass ein Überholverbot ignoriert wurde. Von einem Auffahrverschulden kann nicht ausgegangen werden, wenn sich die Unfallfahrzeuge am Unfallzeitpunkt nicht nachparallel im gleichgerichteten Verkehr fortbewegt haben, sondern eine seitliche Kollision stattgefunden hat.
Rz. 91
OLG Bremen
Wer nach links abbiegt, hat eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber den nachfolgenden Kfz. Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen dem Linksabbieger und einem überholenden Kfz, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Alleinverschulden des Abbiegenden. Wer gegen die doppelte Rückschauverpflichtung nach § 9 StVO verstößt, haftet zu 100 %.
Rz. 92
OLG Oldenburg
Ein Feldweg, der kurz nach der Einmündung durch ein Gatter abgesperrt ist, ist nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet und somit als Grundstück zu qualifizieren. Im Sinne von § 9 Abs. 5 StVO umfasst der Begriff "Grundstück" auch einen abgesperrten Feldweg. Er ist nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Ein Abbieger haftet unter diesen Umständen zu 100 %, wenn er mit dem überholenden Fahrzeug zusammenstößt. Ihn trifft die besondere, höchste Sorgfaltspflicht beim Abbiegen in ein Grundstück i.S.d. § 9 Abs. 5 StVO. Dem Überholenden wird bei dessen ordnungsgemäßen Überholvorgang die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges nicht angerechnet.
Rz. 93
OLG Brandenburg
Der Grundsatz, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers spricht, wenn dieser im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen mit einem links überholenden Fahrzeug kollidiert, findet jedenfalls dann keine Anwendung, wenn der Überholer dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern zuvor eine kleine Kolonne überholt und dann mit dem abbiegenden Spitzenfahrzeug zusammenstößt. Kommt es zu einer Kollision von einem unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVO nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Kraftfahrzeug mit einem unter Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 StVO eine Kolonne mit dem abbiegenden Fahrzeug als Spitzenfahrzeug überholenden Motorrad, haften beide Beteiligte zu 50 %. Die abbiegende Motorradfahrerin war ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen.
Rz. 94
KG
Kollidiert ein Linksabbieger mit einem Überholer, muss der Linksabbieger nachweisen, dass und weshalb er ein Überholen des Nachfolgenden habe ausschließen können. Bloßes korrektes Einordnen und Zeichengeben befreit nicht von der zweiten Rücksc...