Rz. 1782
Rz. 1783
OLG Hamm
Bei der Kollision mit aus der Weide ausgebrochenen Rindern bei Dunkelheit zur Nachtzeit auf der Autobahn haftet der Tierhalter (1) zu 75 % für den Schaden. Voraussetzung hierfür ist, dass der in der Nähe der Autobahn befindliche elektrische Weidezaun nicht täglich kontrolliert wurde. Der Pkw-Fahrer (2) haftet – auch bei Rindern mit schwarzem Fell – zu 25 % wegen Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot, selbst wenn die Geschwindigkeit nur 90 km/h betragen hatte.
Rz. 1784
BGH
Ein Tierhalter kann sich nach § 833 S. 2 BGB nur dann entlasten, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters – d.h. einem wirtschaftlichen Zweck – zu dienen bestimmt ist. Unter Erwerbstätigkeit i.S.d. § 833 S. 2 BGB ist jede Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist und subjektiv von der Absicht getragen wird, Gewinn zu erzielen. Die bloße Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven Umständen keinen Niederschlag findet, genügt dagegen nicht.
Rz. 1785
BGH
Die Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der dem Tierhalter obliegende Entlastungsbeweis gem. § 833 S. 2 BGB muss alle Maßnahmen beinhalten, die im Zeitpunkt eines Unfalls zu dessen Vermeidung notwendig waren. Bei einem Ausbruch von Nutztieren aus einer umfriedeten Weide endet die Aufsichtspflicht des Tierhalters und damit der im Rahmen der Tierhalterhaftung zu führende Entlastungsbeweis nämlich nicht mit dem Kontrollverlust über die Tiere, sondern umfasst alle Maßnahmen, die im Zeitpunkt eines Unfalls zu dessen Vermeidung erforderlich waren. Der Tierhalter hätte auf alle Fälle die Polizei davon verständigen müssen, dass die Rinder ausgebrochen waren.
Hinweis
Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und zurückverwiesen.
Rz. 1786
BGH
Kommt es zu einem Unfall mit einem aus der Koppel ausgebrochenen Rind, hat der Tierhalter die Möglichkeit, sich gem. § 833 Abs. 2 BGB zu entlasten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Rind in Panik geraten war. In solchen Fällen kann ein Rind auch bei einem vollkommen intakten Zaun ausbrechen. Der Tierhalter haftet nicht. Die Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Privilegierung soll nach dem Willen des Gesetzgebers kleinere Landwirte und Gewerbetreibende schützen und insbesondere dazu dienen, Härten infolge der bei Tierhaltern häufig bestehenden Versicherungslücken zu vermeiden.
Rz. 1787
BGH
Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem auf der Autobahn nachts fahrenden Pkw (2) und einem ausgebrochenen Rind (1), haftet dessen Halter zu 100 %. Der Tierhalter konnte den Nachweis nicht führen, dass er den elektrischen Weidezaun regelmäßig kontrolliert hatte.
Rz. 1788
BGH
Der vor einem Rind bei Nacht auf die Gegenfahrbahn ausweichende Kfz-Führer haftet zu 60 % für den Schaden, der durch einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn entsteht. Der Entgegenkommende haftet zu 40 %.
Rz. 1789
OLG Celle
Ein (leichter) Verstoß des Kraftfahrers (2) gegen das Sichtfahrgebot kann hinter dem erheblichen mitwirkenden Verschulden des Tierhalters vollständig zurücktreten. Dies gilt insbesondere dann, wenn dessen vier Pferde nach dem Ausbruch aus einer unmittelbar an einer Bundesstraße gelegenen unzureichend gesicherten Weide auf der Fahrbahn nur schwer erkennbare Hindernisse bildeten. Der Halter der Pferde war zwar nicht verpflichtet, die Pferde nachts von der Koppel zu nehmen und in einem Stall unterzubringen. Die Einfriedung der Weide musste jedoch – nicht zuletzt wegen deren Lage – besonders hohen Anforderungen genügen, um ihre Schutzfunktion auch bei einem panikartigen Ausbruchsversuch der Pferde zu erfüllen. Dies war hier nicht der Fall. Der Zaun der Weide entsprach in seiner Ausführung nicht dem Standardkoppelzaun für Pferde, wie er beispielsweise von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung empfohlen wird. Aus diesem Grund haftet der Pferdehalter zu 100 %.
Rz. 1790
OLG Celle
Betritt ein außer Kontrolle geratenes Pferd (1) die Fahrbahn und kommt es dadurch zu einem Verkehrsunfall mit einem Lkw (2), wobei auf beiden Seiten lediglich eine Gefährdungshaftung nicht aber auch ein Verschulden zum Tragen kommt, haftet der Tierhalter zu 70 % und der Lkw-Halter zu 30 %. Der Unfall war für den Lkw-Fahrer nicht unvermeidbar im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG. Der Tierhalterin ist ebenfalls kein Verschulden vorzuwerfen. Mit dem Scheuen des Pferdes vor einer Pfütze oder den lauten Geräuschen des Lkw hat sich dessen typische Tiergefahr realisiert. Vorliegend stehen sich mithin zwei Gefährdungstatbestände gegenüber. Bei der Abwägung dieser beiden Haftungen gem. § 17 Abs. 1, 4 StVG ist zu berücksichtigen, dass vorliegend von dem Pferd im Straßenverkehr die weitaus größere Gefahr ausgegangen ist. Dagegen ist von dem Lkw nur die übliche Gefährdu...