Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 96
Die abschließende Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 GKG, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Diese Festsetzung kann in einem separaten Beschluss oder im Zusammenhang mit der Hauptsacheentscheidung erfolgen. In der Praxis findet sie sich meist am Ende der Entscheidungsgründe des Urteils. Sie ist mit der Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG anfechtbar.
Rz. 97
Die Staatskasse kann gegen einen zu niedrigen Gegenstandswert Beschwerde im Hinblick auf die damit geringeren Gerichtsgebühren einlegen. Wurde einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, steht der Staatskasse auch ein Beschwerderecht gegen eine zu hohe Wertfestsetzung zu, da diese Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch des Anwalts ist. Die Partei kann nur gegen einen zu hohen, der Anwalt in eigenem Namen (§ 32 Abs. 2 RVG) nur gegen einen zu niedrigen Wert Beschwerde einlegen.
Rz. 98
Hinweis
Soweit eine Beschwerde, mit der eine Werterhöhung beantragt wird, nicht ausdrücklich im Namen des Anwalts eingelegt wurde, wird dies in der Praxis meist im Wege der Auslegung bzw. durch ergänzende Nachfrage beim Prozessbevollmächtigten geheilt – ungeachtet dessen sollte auf eine eindeutige Bezeichnung des Beschwerdeführers geachtet werden, um eine Verwerfung der Beschwerde als unzulässig zu vermeiden.
Rz. 99
Die herrschende Meinung hält eine auf Erhöhung des Streitwertes gerichtete Beschwerde der obsiegenden Partei ausnahmsweise dann für zulässig, wenn die Partei mit ihrem Anwalt eine Vergütungsvereinbarung geschlossen hat, welche von einem höheren Streitwert ausgeht.
Rz. 100
Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde (§ 68 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GKG).
Rz. 101
Hinweis
Gerade weil es in der Praxis sehr selten zur Zulassung der sofortigen Beschwerde kommt, sollte der Anwalt immer einen konkreten Vorschlag zur Wertfestsetzung machen und diesen auch begründen. Gegebenenfalls sollten diese Ausführungen mit dem Antrag verbunden werden, bei Abweichungen vom Wertvorschlag die sofortige Beschwerde zuzulassen, und es sollte die grundsätzliche Bedeutung der Sache dargelegt werden.
Rz. 102
Der Wert des Beschwerdegegenstandes berechnet sich für die Partei aus der Differenz zwischen der Kostenbelastung durch den festgesetzten und der Kostenbelastung durch den beantragten Gegenstandswert.
Rz. 103
Beispiel
Der vorsteuerabzugsberechtigte Transportbetrieb G wird nach mündlicher Verhandlung zur Zahlung einer Rente an den bei einem Unfall verletzten F verurteilt und ihm werden die Kosten des Rechtsstreits zu 40 % auferlegt. Gegen die Streitwertfestsetzung auf 8.000 EUR will G Beschwerde einlegen und eine Herabsetzung auf 7.000 EUR erreichen.
Legt man den festgesetzten Streitwert von 8.000 EUR zugrunde, entsteht für G folgende Kostenbelastung:
Gerichtskosten, Nr. 1210 Anl. 1 GKG |
672,00 EUR |
Kosten für 2 Anwälte |
2.792,25 EUR |
(2 × 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, 2 × 1,2-Terminsgebühr, VV 3104, 2 × Auslagenpauschale, VV 7002, 1 x Umsatzsteuer (!), VV 7008) |
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Summe |
3.464,25 EUR |
davon 40 % |
1.385,70 EUR |
Legt man den beantragten Streitwert von 7.000 EUR zugrunde, entsteht für G folgende Kostenbelastung:
Gerichtskosten, Nr. 1210 Anl. 1 GKG |
609,00 EUR |
Kosten für 2 Anwälte |
2.485,65 EUR |
Summe |
3.094,65 EUR |
davon 40 % |
1.237,86 EUR |
Da die Differenz von 147,84 EUR unter 200 EUR liegt, kann G nur dann Beschwerde einlegen, wenn diese vom Ausgangsgericht im Festsetzungsbeschluss zugelassen wurde.
Rz. 104
Bei einer Beschwerde des Anwalts im eigenen Namen ist auf die Differenz zwischen den sich aus der gerichtlichen Festsetzung ergebenden Gebühren und den Gebühren nach der begehrten Festsetzung abzustellen.
Rz. 105
Beispiel
Anwalt A will, nachdem das von ihm begleitete Verfahren nach mündlicher Verhandlung abgeschlossen ist, die gerichtliche Wertfestsetzung auf 10.000 EUR mit dem Ziel angreifen, eine Festsetzung von 16.000 EUR zu erreichen.
Nach der gerichtlichen Wertfestsetzung von 10.000 EUR ergibt sich für A folgender Vergütungsanspruch:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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798,20 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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736,80 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
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4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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295,45 EUR |
Gesamt |
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1.850,45 EUR |
Bei einem Wert von 16.000 EUR ergibt sich für A folgender Vergütungsanspruch:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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933,40 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
861,60 EUR |
3. Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.815,00 EUR |
|
4. Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
344,85 EUR |
Gesamt |
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2.159,85 EUR |
Da die Differenz von 309,40 EUR über 200 EUR liegt, kann A unabhängig davon Beschwerde einlegen, ob das Erstgericht das Rechtsmittel wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.
Rz. 106
Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung oder anderweitiger Verfahrens...