Rz. 42
Nach § 61 Abs. 1 ArbGG setzt das Arbeitsgericht im Urteil den Wert des Streitgegenstandes fest.[36] Es handelt sich dabei lediglich um einen Wert, der Bedeutung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels hat[37] und nicht um den Gebührenstreitwert, nach dem sich die Gebühren berechnen.
Rz. 43
Zu beachten ist weiter, dass es sich bei dem nach § 61 ArbGG festgesetzten Wert lediglich um den Wert des Streitgegenstandes handelt, über den das arbeitsgerichtliche Urteil entscheidet. Wurde vor dem Urteil (z.B. in der letzten mündlichen Verhandlung) die Klage teilweise zurückgenommen oder gab es einen Teilvergleich, dann ist auch der Wert dieser Bestandteile nicht im Urteil einbezogen. Allerdings sind diese Streitgegenstände bei der Berechnung der anwaltlichen Gebühren zu berücksichtigen. Bei unterschiedlich hohen Werten zu einzelnen Streitgegenständen während der Instanz ist für die Gebühr der höchste Wert maßgeblich.
Beispiel
Mit der Kündigungsschutzklage klagt der Arbeitnehmer A, vertreten durch seinen Rechtsanwalt R, auch ein qualifiziertes Zwischenzeugnis ein. Noch vor der Güteverhandlung erhält A das Zwischenzeugnis und R nimmt den Antrag wegen des Zwischenzeugnisses zurück. A verdient 2.000 EUR im Monat, 24.000 EUR im Jahr. R erhält eine Verfahrensgebühr nach einem Wert von 8.000 EUR (2.000 EUR mal 3 (Kündigung) und 2.000 EUR (Zeugnis)) und eine Terminsgebühr nach einem Wert von 6.000 EUR (2.000 EUR mal 3; nur Kündigung).
Rz. 44
Den Gebührenstreitwert kann der Rechtsanwalt gemäß § 33 Abs. 2 RVG aus eigenem Recht festsetzen lassen. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist nach § 33 Abs. 3 RVG beschwerdefähig.[38] Wird für die Gerichtsgebühren der Wert festgesetzt, dann ist dieser Wert auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgeblich (§ 32 Abs. 1 RVG). Der Rechtsanwalt kann auch in diesem Fall aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 RVG) gemäß § 68 GKG Streitwertbeschwerde einlegen, wenn die endgültige Wertfestsetzung ihm zu niedrig erscheint. Es muss allerdings ein Beschwerdewert von 200 EUR (netto, ohne Berücksichtigung von Umsatzsteuer) erreicht sein.
Rz. 45
Beispiel
Arbeitnehmer A, vertreten durch seinen Rechtsanwalt R, erhebt Kündigungsschutzklage und vergleicht sich diesmal in der Güteverhandlung über die Kündigungsschutzklage. R überbrückt die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien zur Höhe einer Abfindung dadurch, dass er das vom Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist zu erteilende qualifizierte Zeugnis mitregelt (Erteilung unter dem Beendigungsdatum mit Dankes-Bedauern-Formel und Zukunftswünschen). A verdient 2.000 EUR im Monat, 24.000 EUR im Jahr. Das Arbeitsgericht setzt den Streitwert für das Verfahren und den Vergleich auf insgesamt 6.000 EUR fest. R hält einen Wert für das Verfahren von 6.000 EUR und für den Vergleich von 8.000 EUR für richtig und will im eigenen Namen Beschwerde einlegen.
Ermittlung des Beschwerdewerts:
Gebühren des Anwalts nach gerichtlicher Wertfestsetzung
Gegenstandswert gemäß § 23 RVG: | 6.000,00 EUR |
Nach § 13 RVG beträgt bei diesem Wert eine volle Gebühr: | 390,00 EUR |
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG | 507,00 EUR |
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG | 468,00 EUR |
1,0 Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG | 390,00 EUR |
Summe: | 1.365,00 EUR |
Gebühren des Anwalts nach angestrebter Wertfestsetzung
Gegenstandswert gemäß § 23 RVG: | 6.000,00 EUR |
Nach § 13 RVG beträgt bei diesem Wert eine volle Gebühr: | 390,00 EUR |
1,3 Verfahrensgebühr 6.000 EUR, Nr. 3100 VV RVG | 507,00 EUR |
0,8 Verfahrensdifferenzgebühr 2.000 EUR, Nr. 3101 VV RVG | 132,80 EUR |
1,2 Terminsgebühr 8.000 EUR, Nr. 3104 VV RVG | 602,40 EUR |
Wert mit verglichenem Zeugnis: 6.000 EUR, Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG | |
1,0 Einigungsgebühr 6.000 EUR, Nr. 1003 VV RVG | 390,00 EUR |
1,5 Mehrwert Einigung 2.000 EUR, Nr. 1000 VV RVG | 249,00 EUR |
Summe: | 1.881,20 EUR |
Beschwerdewert: 516,20 EUR (= 1.881,20 EUR – 1.365,00 EUR)
Ergebnis: Rechtsanwalt er kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen.
Ein Antrag auf Herabsetzung des Streitwertes ohne Beauftragung durch den Mandanten ist unzulässig, auch wenn eine Rechtsschutzversicherung einen solchen Antrag fordert.[39] Das Beschwerdeverfahren selbst ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.
Rz. 46
Mit der Reduzierung der Vergütungssätze der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte in § 49 RVG hat der Gesetzgeber dem Ziel der Schonung öffentlicher Kassen bereits umfassend Rechnung getragen. Im Hinblick auf Art. 12 GG kann die Rechtsprechung diese fiskalischen Belange nicht nochmals zur Rechtfertigung einer Reduzierung des Streitwerts und damit zur weiteren Absenkung der Rechtsanwaltsvergütung heranziehen.[40]
I. Die Kündigungsschutzklage, hilfsweise Nachteilsausgleich
Rz. 4...
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