Rz. 267
Nur in wenigen Ausnahmefällen wurde in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass Inkassokosten wegen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig sind. Dies sollte nach einer differenzierenden Ansicht jedenfalls dann gelten, wenn neben den Inkassokosten auch noch Rechtsanwaltskosten anfallen, wobei auch hier wieder Ausnahmefälle denkbar seien. Diese Auffassung ist heute nicht mehr haltbar, auch wenn sie noch anzutreffen ist.
Rz. 268
Nach der strikten Auffassung, die die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten gänzlich verweigert, darf sich ein Gläubiger zu der Einziehung einer Forderung nur derjenigen Mittel bedienen, die der Rechtsverfolgung zweckdienlich sind, wenn er die damit verbundenen Kosten mit Erfolg vom Schuldner ersetzt verlangen will. Er dürfe deshalb nur einen Rechtsanwalt, nicht aber ein Inkassodienstleister beauftragen, weil dieser nicht über Möglichkeiten verfüge, die gegenüber denjenigen des Gläubigers als erweitert angesehen werden könnten. Es habe keinerlei legale Machtmittel, die beizutreibende Forderung zu realisieren. Mehr als die Forderung anzumahnen könne auch der Inkassodienstleister nicht tun. Verschiedene Amtsgerichte sind sogar der Auffassung, dass der Gläubiger selbst das gerichtliche Mahnverfahren betreiben, jedenfalls unmittelbar einleiten müsse und anderenfalls selbst dann die Inkassokosten nicht ersetzt verlangen könne, wenn der Inkassodienstleister vorgerichtlich den Ausgleich der Hauptforderung hat erreichen können. Dem hat der BGH zuletzt aktuell und zu Recht widersprochen. Der Gläubiger hat das seinerseits Erforderliche getan, wenn er den Schuldner in verzugsbegründender Weise gemahnt hat. Alle anderen Fragen betreffen die Höhe, nicht aber den Grund der Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten. Diesbezüglich sind die Auffassungen durch den über die Jahre gesteigerten Umfang der Postulationsfähigkeit der Inkassodienstleister überholt.
Rz. 269
Die Vertreter dieser Auffassung verkennen auch die tatsächliche Arbeitsweise von Inkassodienstleistern. Soweit die Auffassung noch aktuell vertreten wird, übersieht sie die seit dem 1.7.2008 durch § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, §§ 174 und 305 Abs. 4 S. 2 InsO eröffneten Möglichkeiten des Inkassodienstleisters zur Durchsetzung einer Geldforderung. Über die vorgerichtliche Geltendmachung der Forderung und die Titulierung im gerichtlichen Mahnverfahren ist den Inkassodienstleistern auch die absolut domminieremde Mobiliarzwangsvollstreckung sowie die Vertretung im Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Dazu hat die Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten Tradition und sichert ein ganzheitliches Angebot an Rechts- und Inkassodienstleistungen. Auch ist zu beachten, dass in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung nicht jeder Gläubiger über das entsprechend ausgebildete Personal und auch die notwendige technische Ausstattung verfügt, um ein professionelles Forderungsinkasso zu betreiben. Zum anderen verkürzt sich ein modernes Forderungsinkasso nicht allein auf das Mahnen von Forderungen. Es handelt sich um eine komplexe Dienstleistung mit vielfachen Anforderungen.
Rz. 270
So kann es erforderlich sein, Informationen über den Aufenthalt, das Einkommen und das Vermögen des Schuldners zu beschaffen, um überhaupt in die Rechtsverfolgung eintreten und deren Erfolg nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher, d.h. wirtschaftlicher Hinsicht abschätzen zu können. Dies gilt insbesondere dann, wenn Auskünfte öffentlicher Register, insbesondere des Einwohnermelderegisters keine Informationen erbracht haben, weil der Schuldner etwa seinen Meldepflichten bewusst oder unbewusst nicht nachgekommen ist. Gerade das umfassende Informationsmanagement von Inkassodienstleistern und die sachgerechte Ansprache des Schuldners mit motivierender wie Konsequenzen aufzeigenden Kommunikation, ermöglichen einen größeren Erfolg im vorgerichtlichen Forderungsinkasso, da in der Konsequenz der Kommunikation auf die Lebenssituation des Schuldners zugeschnittene Lösungen zur Begleichung der Schuld gesucht werden. Die Erarbeitung einer der Leistungsfähigkeit des Schuldners ebenso wie den berechtigten Sicherungsbelangen des Gläubigers entsprechende Ratenzahlungsvereinbarung setzt umfassende Kenntnisse im materiellen Recht wie im Prozess- und Datenschutzrecht, zum Teil auch im Sozial- und Steuerrecht voraus.
Rz. 271
Hinweis
Die Ausbildung zu einem Call-Agent für das Forderungsinkasso dauert etwa ein halbes Jahr, um die Fertigkeiten zu vermitteln, den Schuldner in seiner Wirklichkeit abzuholen und ihm fachlich fundiert aufzuzeigen, wie der Forderungsausgleich gelingen kann. Dem Gläubiger ist nämlich mit einem "Überreden" zu einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht geholfen, weil darauf keine Zahlungseingänge folgen. Die Vereinbarung ist dann nichts wert. Es geht darum belastbare Lösungen zu finden. Auch gilt es, Informations- und Mitteilungsrechte des Schuldners z...