Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 19
Der mittels Prozess-/Verfahrenskostenhilfe (immer nur für die jeweilige Instanz) beigeordnete Rechtsanwalt, § 121 ZPO, §§ 78 ff., 138 FamFG, § 11a ArbGG, § 116 VwGO, § 73a SGG, § 142 FGO, erhält die nach dem RVG entstandenen Gebühren aus der Landeskasse, § 45 Abs. 1 RVG. Weil die Bezahlung der Gebühren damit gesichert ist, ist die Übernahme derartiger Mandate – für welche die erforderliche materiell-rechtliche Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Abs. 1 ZPO besteht – grundsätzlich lohnend.
Rz. 20
Die Erfolgsaussicht wird nach überwiegender Auffassung für den Antragsteller als hinreichend angesehen, wenn er bei erheblichem Bestreiten des Antragsgegners zulässige Beweismittel für seine Behauptungen benennt, wenn also eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der PKH begehenden Partei ausgehen würde. Allerdings dürfte bereits das Erfordernis des Benennens von zulässigen Beweismitteln eine zu weitreichende Anforderung darstellen, denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es
Zitat
"dem Tatrichter nach § 286 ZPO grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist".
Dann darf dem bedürftigen Mandanten auch im Vorfeld bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Rechtsschutz nicht verweigert werden, nur weil er keine Beweismittel benennen kann.
Für den Antragsgegner bietet die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Klage unschlüssig ist. Im Übrigen muss sein Vorbringen erheblich sein. Ist der Kläger beweisbelastet, genügt dazu ein gem. § 138 ZPO wirksames Bestreiten des klägerischen Vortrags. Ist der Anspruchsgegner beweisbelastet, verlangen die Gerichte – wie dies antragstellerseits gilt – in gleicher Weise Beweisangebote.
Rz. 21
Zu beachten sind allerdings bestimmte Besonderheiten und Nachteile bei der Geltendmachung und Abrechnung von Gebühren:
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Beim Bewilligungsverfahren und dem anschließenden Rechtsstreit handelt es sich um dieselbe Angelegenheit nach § 16 Nr. 2 RVG. Demzufolge entsteht die Verfahrensgebühr nur einmal, § 15 Abs. 2 RVG. Die im PKH-Bewilligungsverfahren erwirtschaftete 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3335 VV RVG, wird dann nur auf die 1,3-Verfahrensgebühr aufgestockt, Nr. 3100 VV RVG. |
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Dem beigeordneten Rechtsanwalt werden zudem Auslagen nach Nr. 7000 ff. VV RVG nur erstattet, wenn diese zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren, § 46 Abs. 1 RVG. Im Hinblick auf die Reisekosten ist eine gerichtliche Feststellung der Erforderlichkeit einer Reise im Festsetzungsverfahren bindend, § 46 Abs. 2 S. 1 RVG, wobei allerdings die Landeskasse die Beweislast für behauptete mangelnde Erforderlichkeit trägt. |
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Ein beigeordneter Rechtsanwalt darf von seinem bedürftigen Mandanten nicht die Differenz zwischen der Regelvergütung und der PKH-Vergütung aus einer Vergütungsvereinbarung verlangen. Darin bestünde ein Verstoß gegen die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Zudem läge eine strafbare Gebührenüberhebung vor, § 352 StGB. |
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Der Rechtsanwalt, welcher sich für den Antragsgegner meldet, erhält keine Vergütung für seine Tätigkeit im PKH-Prüfungsverfahren. Das gilt auch, wenn er bereits substantiiert zum angekündigten Klagevorbringen im PKH-Antrag des Antragstellers vorträgt. Im Falle einer Beiordnung aufgrund hinreichender Erfolgsaussicht für die Verteidigung seines Auftraggebers gegen die (zugestellte) Klage erhält er dann die Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG. |
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Der für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellte Beiordnungsantrag eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts enthält regelmäßig ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung nur zu den Bedingungen eines am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts. |
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Für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels kann eine Beiordnung nicht erfolgen. |