Rz. 67
Vertritt ein Rechtsanwalt in ein und derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber, so kann er den durch die Unterrichtung und Beratung mit mehreren Parteien entstandenen Mehraufwand im Rahmen des Mehrvertretungszuschlages nach Nr. 1008 VV RVG geltend machen. In diesen Fällen darf der Rechtsanwalt diese Angelegenheiten nur als eine Angelegenheit abrechnen. Die Mandanten haften für die entstandenen Gebühren gesamtschuldnerisch, aber nur bis zu dem Betrag, der angefallen wäre, wenn jeder Mandant den Anwalt allein für sich beauftragt hätte; § 7 RVG.
1. Eine Angelegenheit
Rz. 68
Eine Angelegenheit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt aufgrund eines einheitlichen Auftrages innerhalb desselben Rahmens tätig wurde und zwischen den einzelnen Handlungen oder Streitgegenständen ein innerer Zusammenhang besteht.
§ 22 RVG sieht innerhalb dieser Angelegenheit vor, dass bei der Geltendmachung mehrere Ansprüche der Wert der Ansprüche addiert wird und sich die Gebühren dann aus der Summe dieser Gegenstände errechnet. Dies gilt auch, wenn der Rechtsanwalt mehrere Personen vertritt.
Wenn aber der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch derselbe ist, ist nach Nr. 1008 VV RVG die Addition der Streitwerte untersagt. Hier fällt die Mehrvertretungsgebühr an. Das ist insbesondere gegeben, wenn den vertretenen Personen der Anspruch gemeinsam zusteht (z.B. bei Gesamtgläubigern) oder diese sich gegen den gleichen Anspruch verteidigen (z.B. bei Gesamtschuldnern).
In Fällen des § 22 RVG kann ein Mehrvertretungszuschlag nicht anfallen.
Beispiel:
Der Rechtsanwalt vertritt ein Ehepaar mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einer vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung ihres Vermieters. Die Mieter machen die Mehrkosten der neuen Mietwohnung in Höhe von 2.200,00 EUR und Umzugskosten i.H.v. 800,00 EUR geltend. Außerdem beanspruchen beide wegen des längeren Arbeitsweges von der neuen Wohnung erhöhte Fahrtkosten. Diese betragen bei der Ehefrau 500,00 EUR und beim Ehemann 1.500,00 EUR. Hinsichtlich der erhöhten Mietkosten und Umzugskosten steht der Anspruch den Ehepartnern als Gesamtgläubiger zu. Hier ist der Gegenstandswert mit 2.200,00 EUR und 800,00 EUR zu addieren. Auf diese Kosten fällt eine Mehrvertretungsgebühr an.
Bei den Fahrtkosten handelt es sich um den individuellen Schaden jedes Mieters, dem unterschiedliche Einwendungen entgegenstehen können. Auch hier sind die Gegenstandswerte zu addieren. Es fällt aber keine Mehrvertretungsgebühr an, da hier bei jedem Anspruch jeweils nur ein Mandant vertreten wird.
Gegenstandswert: 5.000,00 EUR (2.200,00 EUR + 800,00 EUR + 500,00 EUR +1.500,00 EUR) für die Mehrvertretung: 3.000,00 EUR (2.200,00 EUR + 800,00 EUR) |
|
|
1,3 Geschäftsgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV |
|
434,20 EUR |
0,3 Erhöhungsgebühr, § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 1008 VV |
|
66,60 EUR |
Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
Zwischensumme |
520,80 EUR |
|
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
98,95 EUR |
Endsumme |
|
619,75 EUR |
2. Mehrere Auftraggeber
Rz. 69
Der Rechtsanwalt muss in dieser Angelegenheit mehrere Auftraggeber vertreten. Dabei müssen die Aufträge nicht gleichzeitig erteilt werden. Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann diese Personenmehrheit dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt die einzelnen Wohnungseigentümer vertritt. Zu beachten ist hier aber, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 6 WEG teilrechtsfähig ist. Macht die Gemeinschaft Ansprüche als Gemeinschaft geltend, entsteht keine Mehrvertretungsgebühr. Dies ist z.B. der Fall, wenn Rückstände der Hausgeldzahlungen oder Schadensersatzansprüche gegen einen früheren Verwalter oder Dritte geltend gemacht werden. Im Falle einer Beschlussanfechtungsklage ist nach der Neufassung des § 44 Abs. 2 WEG die WEG Adressat der Klage. Auch hier fällt keine Mehrvertretungsgebühr für den Prozessvertreter der WEG mehr an. Reichen mehrere Eigentümer die Beschlussanfechtungsklage über den gleichen Anwalt ein, kann dieser die Mehrvertretungsgebühr geltend machen.
Wird lediglich der Verwalter anwaltlich vertreten, gibt es nur einen Auftraggeber. Das tritt z.B. dann auf, wenn der Verwalter in der Teilungserklärung ermächtigt wird, die Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen oder, wenn er eigene Ansprüche in seiner Eigenschaft als Verwalter geltend macht.
Rz. 70
Hier folgen einige Beispiele, in denen die Mehrvertretungsgebühr anerkannt wurde.
Fall |
Mehrvertretungsgebühr |
|
mehrere Mieter |
Ja |
|
GbR |
Nein |
GbR gilt als teilrechtsfähig |
Gesellschafter einer GbR |
Ja |
auch, wenn sie als Gesamthandsgesellschafter einen Anspruch der Gesellschaft geltend machen |
Eheleute als Partei |
Ja |
es sei denn, sie treten als GbR auf |
Erbengemeinschaft |
Ja |
|
Klage einer WEG |
Nein |
soweit die WEG selbst als Partei auftritt, selbst dann, wenn der Verwalter berechtigt, aber nicht verpflichtet wäre, in Verfahrensstandschaft zu kla... |