Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 40
Eine Mehrheit von Auftraggebern liegt vor, wenn ein RA für verschiedene natürliche oder juristische Personen innerhalb eines Auftrages gleichzeitig tätig werden soll. Beauftragen mehrere Auftraggeber eine Anwaltssozietät, so ist diese in der Regel als ein RA anzusehen. Es kommt nicht darauf an, ob die Aufträge gleichzeitig oder nacheinander erteilt werden.
Zwei Fälle sind besonders zu beachten, da sie wegen des Pauschalcharakters der Gebühren nicht unbedingt mit obigen Ausführungen über die höhere Arbeitsbelastung des RA bei mehreren Auftraggebern in Einklang stehen:
▪ |
Juristische Personen oder ihnen gleichgestellte Gesellschaften sind immer nur ein Auftraggeber, unabhängig von der Anzahl der Gesellschafter oder Vertreter. |
▪ |
Bei Vertretung von Personen ist nicht die Zahl der Vertreter, sondern die Zahl der Vertretenen entscheidend; dies gilt für natürliche und für juristische Personen. |
Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen: Eine GmbH, die durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich vertreten wird, ist ein Auftraggeber, wogegen ein allein sorgeberechtigter Elternteil, der drei minderjährige Kinder wegen desselben Gegenstands vertritt, als Vertreter von drei Auftraggebern des RA erscheint. Wenn eine OHG und einer ihrer Gesellschafter persönlich verklagt worden sind, so hat der RA, der beide vertritt, zwei Auftraggeber. Ein Hausverwalter, der eine Wohnungseigentümergemeinschaft vertritt, ist nicht selbst der Auftraggeber des RA, sondern die von ihm vertretene Wohnungseigentümergemeinschaft. Wenn ein Haftpflichtversicherer den RA beauftragt, die Versicherung, den Fahrer und den Halter des Pkw zu vertreten, so sind dies drei Auftraggeber. Die folgende Aufstellung versucht die umfangreiche Rechtsprechung zu der Frage, wann mehrere Auftraggeber vorliegen, zusammenzufassen.
Rz. 41
Mehrere Auftraggeber liegen in folgenden Fällen vor:
▪ |
Der RA vertritt den Halter und den Fahrer eines Kfz im Auftrage der Haftpflichtversicherung. |
▪ |
Bei einer Erbengemeinschaft müssen alle Erben klagen und verklagt werden, da die Gemeinschaft nicht parteifähig ist, sodass es sich ebenfalls um mehrere Auftraggeber handelt. |
▪ |
Nur wenn bei einer Klage gegen eine OHG oder KG die persönlich haftenden Gesellschafter zusammen mit der Gesellschaft verklagt werden hat der RA, der alle gemeinsam als Beklagte vertritt, mehrere Auftraggeber; eine OHG bzw. KG als Klägerin ist dagegen ein Auftraggeber. Gleiches gilt für eine Klage gegen eine BGB-Gesellschaft. |
▪ |
Eheleute sind häufig zwei Auftraggeber, z. B. wenn sie als Gesamtschuldner verklagt werden oder als gemeinschaftliche Eigentümer klagen. In anderen Fällen ist dies bei Eheleuten nicht immer so eindeutig (siehe dazu die Anmerkungen weiter unten). |
▪ |
Sind mehrere Personen wegen derselben Straftat Privat- oder Nebenkläger, so handelt es sich um mehrere Auftraggeber. |
Rz. 42
Nur ein Auftraggeber ist in nachstehenden Beispielen vorhanden:
▪ |
Nur ein Auftraggeber sind juristische Personen, auch wenn ihr Vorstand oder ihre Geschäftsführung aus mehreren Personen besteht. |
▪ |
Dies gilt auch für Personengesellschaften (OHG, KG), weil sie unter ihrer Firma als Einheit im Rechtsverkehr auftreten, also klagen und verklagt werden können (§§ 124, 161 HGB). |
▪ |
Gleiches gilt für die GmbH & Co. KG, die auch eine KG ist. |
▪ |
Da die BGB-Gesellschaft nach der Rechtsprechung des BGH im Prozess als parteifähig angesehen wird, hat ihr Prozessbevollmächtigter grundsätzlich nur einen Auftraggeber. |
▪ |
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist gemäß § 10 Abs. 6 WEG nur ein Auftraggeber, da sie als Gemeinschaft Rechte erwerben und Pflichten eingehen und vor Gericht klagen und verklagt werden kann. Insoweit ist sie rechtsfähig und parteifähig. (Ausnahme: Anfechtungsklage nach § 46 WEG, siehe BGH, Beschluss vom 15.09.2011 – V ZB 39/11). |
▪ |
Ein minderjähriges Kind, das durch beide Eltern vertreten wird, ist ebenfalls nur ein Auftraggeber. |
Rz. 43
Eheleute leben im Regelfall im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363–1390 BGB). Das bedeutet, dass das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten ist (§ 1363 Abs. 2 BGB). Aus diesem Grund sind Ehegatten auch nicht automatisch Gesamtschuldner oder Gesamtgläubiger! Es muss also jeweils überprüft werden, ob die Ehegatten bei einer Klage wirklich Gesamtgläubiger sind, was z. B. durch gemeinsam mit einem Dritten abgeschlossenem Kauf- oder Mietvertrag der Fall ist. Beweiskräftig erkennbar wäre dies daran, dass beide Eheleute einen schriftlichen Vertrag unterschrieben haben. Sind dann beide Ehegatten Kläger, so handelt es sich bei der Tätigkeit des RA um denselben Gegenstand, infolgedessen eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG eintritt. Dies kann z. B. gegeben sein, wenn eine Klage auf Herausgabe wegen einer im gemeinschaftlichen Eigentum der Eheleute stehenden Sache angestrengt wird. Gemeinschaftliches Eigentum der Eheleute ist aber der Sonderfall, was folglich jeweils nachzuprüfen ist.
Da im Regelfall aber die Eheleu...