Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 142
Der § 15 Absatz 5 RVG wird durch § 15 Absatz 6 RVG ergänzt, indem dort bestimmt wird, dass ein RA für die Ausführung von mehreren Einzeltätigkeiten, die zu derselben Angelegenheit gehören, nicht mehr Gebühren beanspruchen darf, als wenn er von Anfang an als Prozessbevollmächtigter alle diese Einzeltätigkeiten erledigt haben würde. Die Höchstgrenze, bis zu der er für die Einzeltätigkeiten insgesamt Gebühren berechnen darf, ist also die einem Prozessbevollmächtigten zustehende Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3200, 3206, 3309 VV RVG) oder Terminsgebühr (Nrn. 3104, 3202, 3210 VV RVG). Beispiele hierfür sind: Einzelaufträge jeweils zur Anfertigung mehrerer Schriftsätze (Nr. 3403 VV RVG) oder zur mehrfachen Vertretung in der mündlichen Verhandlung (Nrn. 3401, 3402 VV RVG).
Ein Auftrag zu Einzelhandlungen könnte jede einzelne Tätigkeit betreffen, für die ein mit der Durchführung des ganzen Prozesses beauftragter RA keine besonderen Gebühren, sondern nur eine einzige Pauschgebühr erhält, also z. B. einzelne Schriftsätze, einzelne Terminswahrnehmungen oder auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der RA verschiedene Aufträge erhalten hat, solange es sich um dieselbe Angelegenheit handelt.
Beispiel:
Ein RA erhält folgende Aufträge jeweils als Einzelaufträge: Zustellung des Urteils, Einholung des Rechtskraftzeugnisses, Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Zwangsvollstreckung, Beantragung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung (§ 758a ZPO).
Hätte der RA von Anfang an einen Vollstreckungsauftrag erhalten, so hätte er nur eine einzige 0,3 Verfahrensgebühr (Vollstreckungsgebühr) nach Nr. 3309 VV RVG erhalten. Also erhält der RA in diesem Fall nach § 15 Abs. 6 RVG auch nicht entsprechend den vier Aufträgen vier Einzelgebühren sondern nur die genannte 0,3 Verfahrensgebühr. Dies ergibt sich auch aus § 18 Abs. 1 Ziff. 1, § 19 Abs. 1 Ziff. 9, Abs. 2 Ziff. 1 RVG.
Beispiel:
RA Steiner hat auftragsgemäß in einer Prozessangelegenheit vor dem Amtsgericht für den Valentin einen Schriftsatz gefertigt. Er erhält hierfür eine 0,8 Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten (Schriftsatzgebühr) nach Nr. 3403 VV RVG. In der betreffenden Angelegenheit erhält er sodann den Auftrag, die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu beantragen. Hierfür erwächst ihm eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG. Später erteilt ihm Valentin in dieser Angelegenheit noch den Auftrag, gegen eine Entscheidung des ersuchten Richters Erinnerung gemäß § 573 Abs. 1 ZPO einzulegen. Für die letzte Tätigkeit berechnet RA Steiner eine 0,5 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3500 VV RVG. Die Gebühren für die drei einzelnen Handlungen würden insgesamt 2,3 betragen.
Wäre RA Steiner von Valentin zum Prozessbevollmächtigten für die gesamte Angelegenheit bestellt worden, so hätten die drei einzeln ausgeführten Tätigkeiten gemäß § 16 Ziff. 2 und § 19 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 RVG zum Rechtszug gehört und wären mit der 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) abgegolten gewesen. Deswegen darf RA Steiner nach § 15 Abs. 6 RVG für die drei einzelnen Handlungen auch nur insgesamt eine 1,3 Verfahrensgebühr verlangen. Die dem Prozessbevollmächtigten erwachsende Verfahrensgebühr begrenzt also nach § 15 Abs. 6 RVG die dem nur mit einzelnen Handlungen beauftragten RA zustehenden Gebühren nach oben hin.
Ein Fall, wie in diesem Beispiel, wird in der Praxis in dieser Form nur recht selten vorkommen.
In § 15 Abs. 6 RVG wird zum Grundsatz erhoben, dass z. B. der in einem Prozess nur mit Einzelhandlungen beauftragte RA keine höheren Gebühren erhalten kann, als der Prozessbevollmächtigte für das gesamte Verfahren für die gleichen Tätigkeiten als Pauschgebühren erhalten würde. Damit wird der Grundsatz der Pauschgebühren bestätigt (siehe § 1 Rdn 13 ff.).
Rz. 143
In § 15 Abs. 6 RVG werden zur Klarstellung neben den einzelnen Handlungen auch Tätigkeiten, die nach § 19 RVG zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, genannt. Dies hat z. B. insbesondere Bedeutung für einen RA, der in einer Zwangsvollstreckungssache lediglich mit der Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (§ 766 ZPO) beauftragt wird. Gemäß § 19 Abs. 2 Ziff. 2 RVG gehört diese Erinnerung zum Verfahren der Zwangsvollstreckung und würde somit in einer Vollstreckungssache keine zusätzliche Gebühr auslösen. Wenn nun der RA ohne einen Vollstreckungsauftrag zu haben nur mit der Erinnerung nach § 766 ZPO beauftragt wird, würde eigentlich eine 0,5 Verfahrensgebühr für die Erinnerung gemäß Nr. 3500 VV RVG entstehen. Da der RA nach § 15 Abs. 6 RVG jedoch nicht mehr Gebühren erhalten kann als für einen Vollstreckungsauftrag, kann er für diese Erinnerung gemäß § 15 Abs. 6 RVG i. V. m. § 19 Abs. 2 Ziff. 2 RVG nur eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG berechnen. Siehe hierzu § 8 Rdn 47.
Der in § 15 Abs. 6 RVG ausgedrückte Grundsatz gilt nicht nur für zivilrechtliche Angelegenheiten, sondern für alle, also auch strafrechtliche oder außergerichtliche Angelegenheiten. So kann z...