Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 51
Wird der RA in derselben Angelegenheit und wegen desselben Gegenstandes für mehrere Auftraggeber tätig, so erhält er von allen Auftraggebern zusammen die Vergütung gemäß § 7 Abs. 1 RVG nur einmal. Allerdings erhöhen sich nach Nr. 1008 VV RVG die Geschäftsgebühr oder die Verfahrensgebühr, also die so genannten Betriebsgebühren, durch jeden weiteren Auftraggeber um einen Gebührensatz von 0,3. Diese 0,3 werden dem Gebührensatz der jeweiligen Ausgangsgebühr hinzugerechnet – bei mehr als einem weiteren Auftraggeber auch mehrfach. Die Ausgangsgebühr ist diejenige Betriebsgebühr, die der RA bei Vertretung nur eines Mandanten erhalten hätte.
Rz. 52
Jedoch ist die Erhöhung begrenzt: Die Erhöhung darf insgesamt einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen, d. h. insgesamt kann maximal eine Erhöhung von 7 x 0,3 = 2,0 (!) berechnet werden, da das mathematisch richtige Ergebnis von 2,1 gemäß Nr. 1008 Anm. Abs. 3 VV RVG gesetzlich nicht zulässig ist. Bei 8 oder mehr Auftraggebern (also 7 oder mehr weiteren Auftraggebern) ist diese maximale Erhöhung immer erreicht.
Beispiel:
Eine aus 11 Personen bestehende Erbengemeinschaft wird in einer Klage vertreten. Für die Ausgangsgebühr (Verfahrensgebühr) nach Nr. 3100 VV RVG gilt ein Gebührensatz von 1,3. Die Erhöhung für 10 weitere Auftraggeber würde 10 x 0,3 = 3,0 betragen, jedoch darf sie höchstens 2,0 ausmachen. Die Erhöhung von 2,0 wird zu dem Gebührensatz der Ausgangsgebühr von 1,3 addiert, sodass sich zusammen mit der Ausgangsgebühr 3,3 ergeben. Dies ist der in Verfahren in erster Instanz maximal zulässige Gebührensatz der Verfahrensgebühr.
Rz. 53
Der Gebührensatz der Ausgangsgebühr beträgt natürlich nicht immer 1,3. In der Berufungsinstanz ist der Gebührensatz der Verfahrensgebühr 1,6 (Nr. 3200 VV RVG) und in der Revisionsinstanz vor dem Bundesgerichtshof beträgt er 2,3 (Nr. 3208 VV RVG). Der RA erhält also als Verfahrensgebühr in der ersten Instanz insgesamt höchstens 3,3, in der Berufungsinstanz höchstens 3,6 und im Revisionsverfahren vor dem BGH höchstens 4,3; also erhält er jeweils den Gebührensatz der Ausgangsgebühr zuzüglich maximal 2,0. Daneben gibt es auch noch andere Gebührensätze wie z. B. die 0,8 Verfahrensgebühr für die vorzeitige Beendigung des Auftrags (Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG) – hier kann die erhöhte Verfahrensgebühr höchstens 2,8 betragen – oder die 0,3 Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung (Nr. 3309 VV RVG) – hier ist maximal eine erhöhte Verfahrensgebühr von 2,3 möglich.
Beispiel:
Wie vorstehendes Beispiel (11 Auftraggeber). In der Berufungsinstanz würde die Erhöhung für die 10 weiteren Auftraggeber 10 x 0,3 = 3,0, jedoch höchstens 2,0 betragen. Zu der Ausgangsgebühr von 1,6 addiert, ergeben sich 1,6 + 2,0 = 3,6. Da die Erhöhung auch in der Berufungsinstanz nicht mehr als 2,0 betragen darf, darf als erhöhte Verfahrensgebühr eben nur der Gebührensatz von 3,6 berechnet werden.
Anmerkung:
Der folgende Hinweis demonstriert die unterschiedliche Berechnung der Erhöhung bei Wertgebühren, Betragsrahmengebühren und Festgebühren.
Es fällt auf, dass bei sieben oder mehr weiteren Auftraggebern die Erhöhung bei Wertgebühren immer höchstens 2,0 beträgt, gleichgültig, wie hoch der Gebührensatz der Ausgangsgebühr ist. Dadurch ergeben sich prozentual gesehen völlig unterschiedliche Erhöhungen für die weiteren Auftraggeber. Dies ist weder besonders intelligent noch ist es gerecht, da der RA im Revisionsverfahren vor dem BGH bei dieser Zahl von Auftraggebern seine Verfahrensgebühr gerade etwas weniger als verdoppeln kann (von 2,3 auf 4,3 = 187 %) und der RA, der die 8 Auftraggeber in einer Angelegenheit der Zwangsvollstreckung vertritt, dagegen seine Verfahrensgebühr fast verachtfachen kann (von 0,3 auf 2,3 = 767 %). Dies war im früheren Gebührenrecht (§ 6 BRAGO) sinnvoller und gerechter geregelt.
Bei den Betragsrahmengebühren (also z. B. der Verfahrensgebühr in Strafsachen) gilt dies merkwürdigerweise dann wieder nicht. Diese Gebühren erhöhen sich bei weiteren Auftraggebern für jeden weiteren Auftraggeber um jeweils 30 % von der Ausgangsgebühr. Somit ist bei hohen oder niedrigen Ausgangsgebühren die Erhöhung pro weiterem Auftraggeber eben immer 30 %; sie beträgt bei 7 oder mehr weiteren Auftraggebern maximal 200 % (das Doppelte der Ausgangsgebühr). Bei Betragsrahmengebühren kann es also nicht zu solchen wahnsinnig hohen Aufschlägen für mehrere Auftraggeber kommen, wie bei den Wertgebühren von bis zu 767 %.
Auch Festgebühren, z. B. die Geschäftsgebühr bei Beratungshilfe (Nr. 2503 VV RVG) erhöhen sich bei weiteren Auftraggebern für jeden weiteren Auftraggeber um jeweils 30 % von der Ausgangsgebühr.
Ein Grund für diese Ungleichbehandlung von Wertgebühren und Betragsrahmengebühren in der Nr. 1008 VV RVG ist nicht erkennbar. Es bleibt der Verdacht, dass die Autoren des Gesetzesentwurfes sich über die mathematischen Konsequenzen einer vielleicht beabsichtigten Vereinfachung der Gebührenberechnung nicht im Klaren waren.
Rz. 54
Merke:
Die Ausgangsgebühr ist diejenige Betriebsgeb...