Rz. 70
Bei dem Vorliegen eines Pauschalhonorars bleibt die Vermutung der Grenze des fünffachen Überschreitens der gesetzlichen Gebühren (zumindest bei der Strafverteidigung) aufrechterhalten. Der Rechtsanwalt besitzt aber die Möglichkeit, die Vermutung unter der Berücksichtigung der Kriterien von § 14 RVG (zu deren Voraussetzungen vgl. § 3 Rdn 6 ff.) zu widerlegen. In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde die Grenze des fünffachen Überschreitens der gesetzlichen Gebühren auf ein mit dem Rechtsanwalt vereinbartes Pauschalhonorar in einem Zivilrechtsstreit übertragen.
In der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zunächst die Anforderungen des auffälligen Missverhältnisses zwischen anwaltlicher Dienstleistung und der vereinbarten Vergütung für die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB bei einem Pauschalhonorar konkretisiert.
Zitat
"Ob ein für die Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung sprechendes auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar besteht, hängt davon ab, welche Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit marktangemessen und adäquat ist. Die gesetzlichen Gebühren stellen hierbei ein Indiz dar."
Rz. 71
Danach verstößt das vereinbarte Pauschalhonorar zwischen Kläger und Beklagtem nicht gegen die guten Sitten, da es sich bei dieser Vergütung aufgrund der tatsächlichen Umstände des Streitfalls um kein auffälliges Missverhältnis zwischen voraussichtlichem tatsächlichen Aufwand und Entgelt handelt. Die gesetzlichen Gebühren können nicht als ausreichende Vergleichsgrundlage herangezogen werden, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Rechtsanwalts abbilden, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden würden, wodurch das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren nicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründen muss.
Rz. 72
Der Bundesgerichtshof teilt schließlich die Ansicht des Berufungsgerichts, dass das vereinbarte Pauschalhonorar nicht nach § 3a Abs. 2 S. 1 RVG herabgesetzt werden muss. Ein vereinbartes Honorar ist im Sinne von § 3a Abs. 2 S. 1 RVG unangemessen hoch, wenn sich der Rechtsanwalt ein Honorar versprechen lässt, das unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr einem sachgerechten Interessenausgleich entspricht. Der Bundesgerichtshof überträgt hier die Rechtsprechung des Senats für die Honorare von Strafverteidigern, wonach die Vermutung der Unangemessenheit vorliegt, wenn das Honorar die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt. Die Vermutung zwingt den Anwalt dazu, dass er darlegen und beweisen muss, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat angemessen sei.
Zitat
"Die tatsächliche Vermutung, dass ein Honorar unangemessen hoch ist, welches die gesetzlichen Gebühren um mehr als das 5-fache übersteigt, gilt auch für zivilrechtliche Streitigkeiten. Der Anwalt kann die Vermutung entkräften."
Rz. 73
Der Rechtsanwalt muss darlegen und beweisen, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat angemessen ist. Hierfür muss die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen sein; insoweit muss die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel, welches der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebt, sowie die Stellung des Rechtsanwalts und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers berücksichtigt werden (§ 14 RVG). Ein Pauschalhonorar, welches einem Stundenhonorar von unter 200 EUR entspricht, ist nicht unangemessen.