Rz. 27
Ein Verstoß gegen die Formvorschriften von § 3a Abs. 1 S. 1, 2 RVG hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt aus der fehlerhaften Vergütungsvereinbarung keine höhere als die gesetzliche Vergütung fordern darf, § 4b S. 1 RVG. Der Formmangel führt hingegen nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung. In dem Kontext kann sich für den Rechtsanwalt die entscheidende Frage stellen, ob der Mandant eine bereits zu viel gezahlte Vergütung zurückfordern kann. Hierbei hat sich in der Rechtsprechung in dem letzten Jahrzehnt ein Wandel vollzogen.
Der Mandant, der freiwillig und ohne Vorbehalt geleistet hat, konnte das Geleistete nach dem bis zum 30.6.2008 geltenden Recht nicht deshalb zurückfordern, weil seine Erklärung den Formvorschriften nicht entsprach oder wegen bewilligter Prozesskostenhilfe eine Verbindlichkeit nicht bestand. Daher konnte der Rechtsanwalt, der von seinem Mandanten freiwillig und ohne Vorbehalt eine Zahlung erhalten hatte, bis zum 1.7.2008 sicher sein, dass er diese Leistung nicht zurückzahlen musste.
Rz. 28
Mit der Einführung des § 4b RVG zum 1.7.2008 hat sich der Wandel dadurch vollzogen, als dass § 4b S. 2 RVG nunmehr den Verweis auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung enthält. Demnach kann der Mandant bei einer Zuvielzahlung einen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB besitzen. Dieser Anspruch kann aber aufgrund der Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen sein. Entsprechend kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, § 814 BGB.
Rz. 29
Der Mandant müsste zum Zweck der Erfüllung einer nicht bestehenden Schuld geleistet haben, obwohl diese nach der objektiven Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung nicht bestand. Dabei muss er dem Gedanken des venire contra factum proprium folgend zum Zeitpunkt seiner Leistung positiv gewusst haben, dass er nicht zur Leistung verpflichtet gewesen ist. Für die positive Kenntnis genügt nicht das bloße "Kennen müssen" der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen der rechtlichen Verpflichtung ergibt, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht, da der Mandant im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre aus den Tatsachen zusätzlich auch die zutreffende rechtliche Folgerung ziehen müsste. Auch bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld können nicht mehr der positiven Kenntnis gleichgesetzt werden. Insoweit hat der Mandant nach Auffassung des Bundesgerichtshofs noch keine positive Kenntnis von der Nichtschuld, wenn er auf die Textform der Vergütungsvereinbarung offenkundig verzichtet hat.
Zitat
"Ein solches positives Wissen hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Es kann, entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht, nicht aus der Äußerung des Klägers geschlossen werden, er brauche keine Honorarvereinbarung, die Bezahlung sei für ihn eine Sache der Ehre. Ob der Kläger wusste, dass er ohne eine in Textform geschlossene Vergütungsvereinbarung rechtlich nicht verpflichtet war, die Vergütung in der vereinbarten Höhe zu zahlen, lässt sich dieser Äußerung nicht entnehmen. Möglicherweise wollte der Kläger auch nur zu verstehen geben, dass er den Abschluss der Vereinbarung später nicht abstreiten werde und deshalb eine schriftliche Niederlegung zu Beweiszwecken nicht erforderlich sei."
Rz. 30
Gemäß dem Oberlandesgericht Düsseldorf kann von einer freiwilligen und vorbehaltlosen Zahlung des Mandanten gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 RVG nur ausgegangen werden, wenn er weiß, dass seine Zahlung die gesetzliche Vergütung übersteigt, und er mehr zahlen will, als er ohne die Vergütungsvereinbarung zu zahlen hätte. Eine über § 4b S. 2 RVG mögliche Einwendung des Rechtsanwalts gemäß § 814 BGB setzt eine positive Kenntnis des Mandanten darüber voraus, dass er nach der Rechtslage kein höheres Honorar als das gesetzliche schuldet. Dies setzt aber grundsätzlich eine ausreichende Informationsgrundlage des Mandanten voraus. Im Weiteren sei es nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf allein Sache des Rechtsanwalts, für eine formgerechte Honorarvereinbarung Sorge zu tragen. Dies gelte auch dann, wenn der Mandant selbst Volljurist sei. In diesem Fall muss der Mandant nicht wissen und sich auch nicht dahingehend informieren, dass eine mündlich geschlossene Honorarabrede formunwirksam ist. Letztendlich trägt der Rechtsanwalt für die Kenntnis des Mandanten die Darlegungs- und Beweislast. Durch eine hinreichende Dokumentation, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren übersteigt, kann er für eine beweiskräftige Information des Mandanten sorgen.
Rz. 31
Neben dem Ausschluss einer Rückforderung durch § 814 BGB kann im Einzelfall eine solche auch durch § 242 BGB ausgeschlossen sein. Nach § 242 BGB kann eine Rückforderung bei bloßen Zweifeln an der Verpflichtung ausgeschlossen sein, wenn dem Empfänger erkenn...