Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 129
Mit dem Eintritt des Nacherbfalls durch den Tod des Vorerben hat derjenige, auf den das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern (§ 6 Abs. 2 ErbStG).
Hierunter fallen auch Ansprüche aufgrund § 2287 BGB sowie Herausgabeansprüche aus § 2113 BGB, die der Nacherbe mit Erfolg geltend macht. Für den durch den Vorerben Beschenkten erlischt dann die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Auch bei gleicher Substanz muss der Wert der Vorerbschaft nicht dem Wert der Nacherbschaft entsprechen, da der gemeine Wert eines Gegenstandes Schwankungen unterliegen kann.
Ist die Steuerklasse im Verhältnis des Vorerben zum Nacherben ungünstiger als die vom Erblasser zum Nacherben, wird auf Antrag die günstigere Steuerklasse bei der Besteuerung der Nacherbschaft zugrunde gelegt (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Die Anwendung dieser Steuerklasse erstreckt sich auf alle Vorschriften, in denen sie für die Berechnung der Steuer eine Rolle spielt, insbesondere auch auf die Vorschriften über Freibeträge und Freigrenzen. Fällt dem Nacherben in dieser Fallkonstellation auch noch eigenes Vermögen des Vorerben zu, so bestimmt sich zunächst der Steuersatz nach dem zusammengerechneten Vermögen, die Nacherbschaft und die freie Erbschaft bilden eine Einheit (§ 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG). Hinsichtlich der Steuerklasse ist jeder Erbfall jedoch getrennt zu behandeln (§ 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG). Für den Erwerb des Eigenvermögens des Vorerben kann jedoch ein Freibetrag nur noch so weit genutzt werden als er nicht für das Vermögen vom Erblasser verbraucht wurde (§ 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG). Mit diesen Regelungen soll verhindert werden, dass das ausgeübte Wahlrecht nicht zu unangemessenen Steuervorteilen beim Nacherben führt. Der Anfall an die Nacherben vom Erblasser und vom Vorerben wird steuerrechtlich als ein einziger Erbvorgang behandelt. Dies kann auf Seiten des Nacherben zu ganz massiven Nachteilen führen. In der Beratung sollte diese Kumulierung bedacht werden, wenn der Nacherbe auch Erbe des Vorerben werden soll.
Rz. 130
Beispiel 1
Der geschiedene Vater A setzt seinen Sohn B aus der geschiedenen Ehe als Vorerben und seinen nichtehelichen Sohn C als Nacherben ein. Der Nacherbfall soll mit dem Ableben des B eintreten. C erwirbt Vermögen vom Erblasser in Höhe von 360.000 EUR und Eigenvermögen des B in Höhe von 70.000 EUR. Er beantragt eine Besteuerung nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG.
Dem C steht im Verhältnis zu A ein persönliche Freibetrag in Höhe von 400.000 EUR zur Verfügung (§ 16 ErbStG, Steuerklasse I). Hiervon verbraucht er nur 360.000 EUR. Der persönliche Freibetrag des C im Verhältnis zu B beträgt 20.000 EUR (§ 16 ErbStG, Steuerklasse II). Es ergibt sich somit ein steuerpflichtiger Erwerb in Höhe von 50.000 EUR (70.000 EUR – 20.000 EUR). Der im Verhältnis von C zu B heranzuziehende persönliche Freibetrag in Höhe von 20.000 EUR liegt unter dem nicht verbrauchten Freibetragsrest in Höhe von 40.000 EUR im Verhältnis zu A. Es stellt sich nunmehr die Frage, ob der insgesamt nicht verbrauchte Freibetragsrest in Höhe von 20.000 EUR (40.000 EUR – 20.000 EUR) den Erwerb des C gegenüber B zusätzlich reduziert, so dass im Ergebnis nur ein steuerpflichtiger Erwerb in Höhe von 30.000 EUR (70.000 EUR – 20.000 EUR – 20.000 EUR) vorhanden wäre. Der BFH hat diese Auffassung abgelehnt.
Um zu vermeiden, dass sich für den Nacherben durch die Trennung der Vermögensmassen ungerechtfertigte Vorteile hinsichtlich des Freibetrages ergeben, bestimmt das Gesetz, dass dem Nacherben nicht für jede Vermögensmasse des gesamten Erwerbs gesondert ein Freibetrag zusteht, sondern dass ihm insgesamt nur der Freibetrag zu gewähren ist, der für sein günstigeres Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser gegeben ist. Für das ihm zusätzlich anfallende Vermögen des Vorerben wird ihm der für diese Steuerklasse maßgebende Freibetrag nur gewährt, wenn und soweit der höhere, nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser maßgebende Freibetrag durch den Anfall des Nacherbschaftsvermögens nicht verbraucht ist.
Die Freibetragsregelung des § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG gewinnt somit zusätzliche Bedeutung bei der Ermittlung des Steuersatzes gemäß § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG.
Lösung zu Beispiel 1
Im Beispielsfall beträgt der Gesamterwerb folglich 50.000 EUR (360.000 EUR – 360.000 EUR) + (70.000 EUR – 20.000 EUR) und damit ist der Steuersatz in der Steuerklasse II 15 %. Es ergibt sich somit ein Steueranfall in Höhe von 7.500 EUR.
Beispiel 2
Wie Beispiel 1, das Nacherbschaftsvermögen beläuft sich jedoch auf 390.000 EUR. Der Freibetrag von 400.000 EUR wird folglich in Höhe von 10.000 EUR für die Besteuerung des Nacherbschaftsvermögens nicht verbraucht. Nach dem Gesetzeswortlaut reduziert sich der Freibetrag für den weiteren Erwerb von 20.000 EUR um 10.000 EUR auf 10.000 EUR (§ 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG). Der Erwerb beträgt 60.000 EUR (390.000 EUR – 390.000 EUR) + (70.000 EUR – 10.000 EUR). Der Steuersatz in der Steuerklasse...