Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 164
Charakteristisch für das Nachvermächtnis ist, dass der Erblasser den vermachten Gegenstand von einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis an einer dritten Person zuwendet (§ 2191 Abs. 1 BGB).
Der Vorvermächtnisnehmer ist Vermächtnisnehmer auf Zeit und steht folglich einem Vorerben gleich. Daher wird ein Nachvermächtnis erbrechtlich (§ 2191 Abs. 2 BGB) und steuerlich (§ 6 Abs. 4 ErbStG) weitgehend analog der Vor- und Nacherbschaft behandelt.
Durch die Anordnung eines Nachvermächtnisses wird also die rechtliche Stellung des Vorvermächtnisnehmers nicht auf die eines Nießbrauchers reduziert. Steuerlich erhält der Vorvermächtnisnehmer das Vermächtnis vom Erblasser und versteuert es auch dementsprechend, § 6 Abs. 1, 4 ErbStG. Der Nachvermächtnisnehmer erhält das gleiche Vermächtnis vom Vorvermächtnisnehmer, wenn es ihm bei dessen Tod anfällt (siehe Rdn 129), andernfalls vom Erblasser (siehe Rdn 131). Hiernach regeln sich Steuerklasse, Freibetrag und Steuersatz.
Stammt das Nachvermächtnis allerdings vom Vorvermächtnisnehmer, steht dem Nachvermächtnisnehmer ein Wahlrecht zu, § 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 ErbStG. Er kann sich für eine Besteuerung nach dem Erblasser oder nach dem Vorvermächtnisnehmer entscheiden, je nachdem, was für ihn günstiger ist. Folglich sind die Vermächtnisgegenstände zunächst vom Beschwerten (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und bei dessen Tod nochmals vom Vermächtnisnehmer zu versteuern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG).
Aufschiebend befristete Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen kann der Beschwerte nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von seinem Erwerb abziehen. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 1 i.V.m. § 8 BewG. Auf Seiten des Vermächtnisnehmers ergeben sich die erbschaftsteuerlichen Folgen aus § 6 Abs. 2 ErbStG.
Rz. 165
§ 6 Abs. 4 ErbStG ist aber nicht anwendbar, wenn der Erblasser die Fälligkeit des Vermächtnisses von anderen Umständen als dem Tod des Beschwerten abhängig macht. Hier erwirbt der Vermächtnisnehmer vom Erblasser und nicht vom Vorerben bzw. Vorvermächtnisnehmer. Maßgebend für die Besteuerung ist das Verhältnis des Vermächtnisnehmers zum Erblasser. Fällt das Vermächtnis beispielsweise mit der Übertragung von Nachlassgegenständen auf den ausgeschlossenen Personenkreis an und damit vor dem Tod des Beschwerten, erhält dieser wenigstens die gezahlte Steuer über § 5 Abs. 2 BewG auf Antrag zurück.
Rz. 166
Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass auch die Vermächtnislösung zu einer Doppelbesteuerung führt. Bei einem Geschiedenentestament stehen aber aus Sicht des Erblassers in aller Regel nicht steuerliche Aspekte im Vordergrund, sondern allein der Ausschluss des Ex-Ehegatten und dessen Verwandten vom Nachlass. Deshalb werden mögliche steuerliche Nachteile regelmäßig hingenommen.