Rz. 137

Wie dargestellt sind mit der Vor- und Nacherbschaft erhebliche Beschränkungen und Verpflichtungen verbunden, die trotz findigster Gestaltung nicht gänzlich vermieden werden können.

Die Ziele eines Geschiedenentestaments kann der Erblasser aber auch durch die Anordnung eines aufschiebend befristeten Vermächtnisses erreichen. In der Praxis wird deshalb zunehmend der alternative Weg beschritten, wonach der Erbe mit einem aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnis belastet wird und der Nachlass bei Eintritt eines ganz bestimmten Ereignisses an eine dritte Person herauszugeben ist. Allerdings bedarf diese Gestaltungsvariante einer sehr detaillierten und sorgfältigen Ausgestaltung, denn, im Gegensatz zur Variante Vor- und Nacherbschaft, sieht das Gesetz dafür nur wenig gesetzliche Regelungen vor. Insbesondere sind folgende Details zu regeln:

Bei aufschiebend bedingten Vermächtnissen ist § 2074 BGB zu beachten, wonach im Zweifel die Zuwendung nicht gelten soll, wenn der Bedachte den Bedingungseintritt nicht erlebt.
Unbedingt ist die Frage der Surrogation exakt zu klären. Anzustreben ist hierbei eine Lösung analog § 2111 BGB. Andernfalls besteht die Gefahr, dass im Laufe der Zeit durch entsprechende Umschichtungen des Vermögens der Nachlass des Erblassers sukzessive in das Vermögen des Erben abwandert und dadurch die ursprünglichen Gestaltungsziele vereitelt werden.
Klar und eindeutig festzulegen ist zudem, in welchem Umfang der Erbe über den Nachlass des Erblassers verfügen darf. Es ist in diesem Zusammenhang die Frage einer besonderen Substanzerhaltungspflicht zu klären oder/und festzulegen, ob es sich um ein "Vermächtnis auf den Überrest" handeln soll. Fehlen an dieser Stelle eindeutige Regelungen, kann dies zu Schadensersatzansprüchen des Vermächtnisnehmers führen.
Ferner darf die 30-Jahresgrenze des § 2162 BGB nicht übersehen werden, wenn Anfall oder Fälligkeit des Vermächtnisses erst 30 Jahre nach dem Erbfall erfolgen.
Zu klären ist ferner die Frage des Ersatzes der Aufwendungen und Verwendungen des Erben durch den Vermächtnisnehmer bei Vermächtniserfüllung.
Ein häufig in der Praxis anzutreffender Fehler ist der Mangel an Regelungen zur Frage der Übernahme der Verbindlichkeiten, die das Vermächtnis betreffen. Von Gesetzes wegen hat diese Verbindlichkeiten grundsätzlich der Erbe zu tragen. Es muss wohl überlegt sein, ob dies dem tatsächlichen Wünschen des Erblassers entspricht. Möglicherweise ist dies im Rahmen eines Geschiedenentestaments tatsächlich der Wunsch des Erblassers, wenn nämlich der geschiedene Ehegatte bei einem Herausgabevermächtnis als Erbe des mit dem Vermächtnis beschwerten Kindes die Verbindlichkeiten tragen muss, der Vermächtnisnehmer aber das Vermächtnisobjekt erhält.
Einer besonderen Regelung bedarf unter Umständen auch die Frage der Sicherung der Vermächtniserfüllung. Nach § 2174 BGB gibt ein Vermächtnis lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung. Dies kann immer dann zu Problemen führen, wenn die mit der Vermächtniserfüllung beschwerte Person möglicherweise versuchen wird, die Erfüllung des Vermächtnisses zu vereiteln oder aber zumindest zu erschweren. Dies wäre beispielsweise beim Geschiedenentestament denkbar. Um die Vermächtniserfüllung zu sichern, könnte hier mit einer Testamentsvollstreckung gearbeitet werden.
Ebenso klarzustellen ist die Frage, welche Sicherungsrechte dem Vermächtnisnehmer mitvermacht werden.
Ein entscheidender Vorteil der Vermächtnislösung gegenüber der Vor- Nacherbschaftslösung liegt darin, dass nach dem Eintritt des ersten Todesfalls noch Umverteilungen am Nachlass vorgenommen werden können. Häufig kommt hier eine Kombination aus Bestimmungsvermächtnis und Zweckvermächtnis zum Einsatz (§§ 2151, 2153, 2156 BGB). Gerade hier sind saubere und eindeutige Regelungen nach den Vorgaben der genannten Paragrafen zu treffen.

I. Rechtsnatur und Grundsätze der Vermächtnislösung

 

Rz. 138

Der Nachlass geht zunächst auf einen Vollerben über. Der Vermächtnisnehmer erwirbt erst zu einem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf den vermachten Gegenstand (§§ 2177, 2174 BGB).[208] Dies stellt eine abweichende Regelung zu § 2176 BGB dar.

Im Gegensatz zu dem Vermögen des Erblassers, das der Nacherbschaft unterliegt, bilden die aufschiebend befristet vermachten Gegenstände in der Hand des Beschwerten kein Sondervermögen. Die Gegenstände fallen grundsätzlich in den Nachlass des Erblassers. Um zu verhindern, dass der Beschwerte die betreffenden Gegenstände weitervererbt, wird der geschiedene Erblasser den Anfall des Vermächtnisses immer so legen, dass er mit dem Tod des beschwerten Erben eintritt. Die Gegenstände unterfallen auch nicht dem Pflichtteilsanspruch der Verwandten des beschwerten Erben. Sie sind vielmehr nach § 2311 BGB als Verbindlichkeit von den Aktiva des Nachlasses in Abzug zu bringen.

Der unerwünschte Personenkreis kann also weder im Wege der Erbfolge noch über Pflichtteilsansprüche[209...

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