Rz. 328
Mit der Ergänzung in Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG wird letztlich nur eine Klargestellung vorgenommen. Klargestellt werden soll, dass sich die Verfahrensgebühr auch in den Fällen der § 101 Abs. 1 S. 2 SGG und § 106 S. 2 VwGO ermäßigen soll, wenn die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Einigungsvorschlag schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.
Rz. 329
Hintergrund dieser Neuregelung ist zum einen die Regelung in § 106 S. 2 VwGO. Danach kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich annehmen. Soweit sich dieser Einigungsvorschlag über die anhängigen Gegenstände verhält ist bereits die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG angefallen. Dieser Fall ist unproblematisch. Der Einigungsvorschlag des Gerichts kann aber auch nicht anhängige Gegenstände mit erfassen. Dieser Fall war bisher in Nr. 3101 VV RVG nicht geregelt.
Rz. 330
Das Gleiche galt für den durch Art. 7 Nr. 9 des BUK-Neuorganisationsgesetzes eingefügten § 101 S. 2 SGG. Auch nach dieser Vorschrift kann eine gerichtliche Einigung dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich annehmen. Soweit sich hier gem. § 3 Abs. 1 S. 2 u. 3 RVG die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnen und der Einigungsvorschlag nur die anhängigen Gegenstände betrifft, ist bereits die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG angefallen. Dieser Fall ist unproblematisch. Der Einigungsvorschlag des Gerichts kann aber auch hier nicht anhängige Gegenstände mit erfassen. Auch dieser Fall war bisher in Nr. 3101 VV RVG nicht geregelt.
Rz. 331
Zum Teil hat die Rechtsprechung aber Anm. Abs. 1 Nr. 2 VV RVG bereits entsprechend angewandt.
Rz. 332
Im verwaltungsgerichtlichen Prozess steht die Annahme eines in der Form eines Beschlusses unterbreiteten Vergleichsvorschlags des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters durch die Beteiligten nach § 106 S. 2 VwGO der in Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG genannten Feststellung des Zustandekommens einer Einigung nach § 278 Abs. 6 ZPO gleich.
Hamburgisches OVG, Beschl. v. 30.6.2020 – 3 So 105/18
Rz. 333
Die da beiden vorgenannten Regelungen des § 101 S. 2 SGG und des § 106 S. 2 VwGO vergleichbare Fallgestaltungen betreffen wie der Fall des § 278 Abs. 6 ZPO sollen diese Fälle gebührenrechtlich gleichgestellt werden, was nunmehr durch die Neufassung der Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG vollzogen worden.
Rz. 334
Der Gesetzgeber geht allerdings ausweislich seiner Begründung davon aus, dass hier eine Gebühr für die vorgenannten Fälle geschaffen werde, die es bisher nicht gab. Dabei verkennt er, dass Nr. 3101 VV RVG, ebensowenig wie Nr. 3100 VV RVG einen Gebührentatbestand regelt. Diese beiden Nummern setzen vielmehr voraus, dass eine Verfahrensgebühr angefallen ist und regeln nur die Höhe des Gebührensatzes in einem erstinstanzlichen Verfahren. Der Gebührentatbestand selbst ergibt sich aus der Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG. Danach entsteht die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information". Dass bei einem Mehrwertvergleich oder einer Mehrwerteinigung das Geschäft betrieben wird und Informationen entgegengenommen werden, dürfte unzweifelhaft sein. Die Frage kann also nur lauten, bleibt es bei der vollen 1,3-Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV RVG, wenn die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen oder ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG auf 0,8. Nach der bisherigen Fassung war eine Ermäßigung nicht vorgesehen, so dass es an sich bei einer 1,3-Verfahrensgebühr verblieben wäre. Die jetzige Ergänzung stellt klar, dass auch in diesem Fall die Ermäßigung nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG greift.
Rz. 335
Für die, die das System der Verfahrensgebühr immer schon falsch verstanden haben, bedeutet die Ergänzung, dass jetzt (erstmalig) die ermäßigte Verfahrensgebühr anfällt.
Rz. 336
Unter dem Strich dürfte damit jetzt jedenfalls klar sein, dass in den genannten Fällen die sog. Verfahrensdifferenzgebühr der Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG anfällt.
Rz. 337
Für den Fall, dass die Mehrwerteinigung im Termin erfolgt, war die Sache schon immer eindeutig.
Rz. 338
Beispiel
Der Anwalt legt für den Mandanten gegen zwei Bescheide (Wert: 5.000,00 EUR und 2.000,00 EUR) jeweils Widerspruch ein. Hinsichtlich des Bescheides über 5.000,00 EUR ergeht ein Widerspruchsbescheid. Hiergegen wird Anfechtungsklage erhoben. Im Termin kommt es zu einer Einigung, die gleichzeitig auch den weiteren Bescheid mit erfasst.
Im gerichtlichen Verfahren entsteht jetzt die 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der anhängigen 5.000,00 EUR und die 0,8-Verfahrensgebühr au...