Rz. 85
Nottestamente können in drei außerordentlichen Testamentsformen errichtet werden: Dies ist möglich durch ein Bürgermeistertestament, § 2249 BGB, "Drei-Zeugentestament", § 2250 BGB und als Nottestament auf See, § 2251 BGB. Sowohl beim Bürgermeister- als auch Drei-Zeugentestament ist u.a. Voraussetzung, dass die Besorgnis besteht, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht mehr möglich sein werde, also eine Todesbesorgnis.
Beim Bürgermeistertestament muss diese Todesbesorgnis beim Bürgermeister entweder subjektiv in seiner Vorstellung liegen oder objektiv vorhanden sein. Der Bürgermeister hat dann zwei Zeugen zur Testamentserrichtung hinzuzuziehen. Als Zeuge kann allerdings nicht hinzugezogen werden, wer in dem zu beurkundenden Testament bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt wird, § 2249 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB. Die vom Bürgermeister aufgenommene Niederschrift des letzten Willens ist von beiden Zeugen dem Erblasser vorzulesen und von diesem zu genehmigen. Ein Formmangel bei der Abfassung der Niederschrift steht der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen, sofern sicher anzunehmen ist, dass es eine zuverlässige Wiedergabe der Erklärung des Erblassers enthält, § 2249 Abs. 6 BGB. Sofern in einem vor dem Bürgermeister errichteten Nottestament Ausführungen dazu fehlen, dass es dem Erblasser vorgelesen, von ihm genehmigt und von ihm unterschrieben wurde, steht dies der Wirksamkeit des Testaments in formeller Hinsicht nicht entgegen. Das ordnungsgemäß errichtete Bürgermeistertestament ist in beweisrechtlicher Hinsicht eine öffentliche Urkunde gem. § 415 ZPO und eine öffentliche Urkunde i.S.v. § 35 GBO.
Zu berücksichtigen ist, dass gem. § 2252 Abs. 1 BGB dieses Nottestament eine beschränkte Gültigkeitsdauer von drei Monaten ab der Errichtung unter der Voraussetzung hat, dass der Erblasser dann noch lebt.
Rz. 86
Das Drei-Zeugen-Testament kann durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet werden, wobei hierüber eine Niederschrift aufzunehmen ist, § 2250 Abs. 3 S. 1 BGB. Diese drei Zeugen müssen sowohl während des Errichtungsaktes als auch bei Verlesung und Genehmigung der Niederschrift durch den Erblasser anwesend sein. Selbst wenn derjenige, der ein Nottestament errichten will, aufgrund der Corona-Pandemie einer Kontaktbeschränkung unterliegt, ändert dies nichts daran, dass dessen Nottestament gleichzeitig vor drei Zeugen errichtet werden muss. Sind diese nicht alle während des Errichtungsaktes des Testamentes gleichzeitig, sondern nacheinander – wegen der Kontaktbeschränkung einzeln – anwesend, ist das Nottestament nichtig. Wird bei einem Nottestament der Text des Testamentes allerdings nur sinngemäß wiedergegeben, aber nicht exakt vorgelesen, ist das Nottestament unwirksam. Als Zeugen ausgeschlossen sind der Erblasser selbst, dessen Ehegatte oder Lebenspartner und die mit ihm in gerader Linie Verwandten, § 2250 Abs. 3 S. 2 BGB. Verwandte des Alleinerben in gerader Linie können ebenfalls bei der Errichtung eines Drei-Zeugen-Testaments nicht als Zeuge fungieren. Das Schriftformerfordernis des Drei-Zeugentestamentes ist zwingend.
Rz. 87
Wer aus eine Nottestament Rechte ableiten will, unterliegt einer hohen Darlegungs- und Beweislast für dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Zu beweisen sind für die Wirksamkeit des Nottestaments folgende Aspekte:
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dass eine in § 2050 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB genannten Situationen vorlag oder alle drei Zeugen eine nahe Todesgefahr des Erblassers annahmen, |
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dass der Erblasser den drei Zeugen mündlich seinen letzten Willen erklärte, |
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dass keiner der Zeugen von Gesetzes wegen an der Mitwirkung bei der Testamentserrichtung ausgeschlossen war, |
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die Anfertigung der Niederschrift selbst, |
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die gleichzeitige Anwesenheit aller drei Zeugen während des gesamten Errichtungsaktes der Niederschrift, |
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das vollständige Vorlesen der Niederschrift gegenüber dem Erblasser sowie dessen anschließender Genehmigung und |
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die unterzeichnete Niederschrift von mindestens einem Errichtungszeugen. |
Praxishinweis
Nicht selten werden die Verwandten des Alleinerben aufgrund familiärer Verhältnisse als Zeugen für Drei-Zeugen-Testamente hinzugezogen. Diese können jedoch nicht als taugliche Zeugen fungieren, andernfalls ist das Testament formunwirksam.
Rz. 88
Durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen mit anschließender Niederschrift kann auch ein Nottestament auf See errichtet werden, § 2251 BGB. Dies setzt allerdings – im Gegensatz zum Drei-Zeugen- und Bürgermeistertestament – keine Gefahr des Todes des Erblassers voraus. Auch bei dieser Art des Nottestaments ist die Wirkungsdauer nach § 2252 BGB (Dreimonatsfrist) zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass sich der Erblasser an Ort eines deutschen Schiffes für diese Testamentsform befinden muss, was sich nach §§ 1, 2, 3 des Flaggenrechtsgesetzes vom 8.2.1951 beurteilt.