Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 664
Während die Kündigung gegenüber allen Vertragspartnern auszusprechen ist, ist die Räumungsklage gegenüber allen erwachsenen Personen, die das Mietobjekt nutzen, zu erheben, unabhängig davon, ob es sich um Vertragspartner handelt oder nicht. Weiter ist vorsorglich auch der bereits ausgezogene Mieter zu verklagen, der nicht wirksam aus dem Mietverhältnis entlassen wurde. Hat der Mieter in die Mietwohnung einen nichtehelichen Lebensgefährten aufgenommen, ist für die Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel auch gegen den nichtehelichen Lebensgefährten erforderlich, wenn dieser Mitbesitz an der Wohnung begründet hat. Ein Mitbesitz an der Wohnung muss sich aus den Umständen klar und eindeutig ergeben. Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben grds. keinen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung. Die Besitzverhältnisse an der Wohnung ändern sich im Regelfall nicht, wenn die Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben. Haben Kinder keinen Mitbesitz an der Wohnung erlangt, reicht für eine Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus.
Rz. 665
Wurde Wohnraum gekündigt, weil der zahlungsunfähige Mieter über mehrere Monate hinweg keinen Mietzins zahlte und erhebt der Vermieter Räumungsklage, kann er zugleich die künftig fällig werdende Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe der Wohnung einklagen.
Rz. 666
Will der Mieter(-anwalt) den Räumungsanspruch des Vermieters zwar anerkennen, aber etwa wegen Berufung auf die Sozialklausel des § 574 BGB oder wegen Gewährung einer Räumungsfrist nicht sofort ausziehen, genügt es nicht, erst im Prozess, und sei es auch im ersten Verhandlungstermin, ein entsprechendes Anerkenntnis zu erklären. Vielmehr bedarf es bereits einer vorgerichtlichen rechtsverbindlichen Erklärung des Mieters, in der er unter Angabe von Gründen die befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses, gestützt auf die Sozialklausel oder einen Antrag auf Einräumung einer angemessenen Räumungsfrist verlangt, § 93b Abs. 3 ZPO.
Rz. 667
Der Rechtsanwalt hat bis zur endgültigen Entscheidung über die Durchführung der Berufung darauf hinzuwirken, dass keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, er darf seinem Mandanten nicht raten, dem erstinstanzlichen Räumungsurteil nachzukommen, um Kosten zu sparen. In diesem Rahmen ist der Anwalt grds. gehalten, einerseits der möglichen Zwangsvollstreckung aus dem gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren landgerichtlichen Räumungsurteil mit geeigneten Rechtsbehelfen entgegenzutreten und andererseits dem Mandanten zu verdeutlichen, dass eine Zwangsvollstreckung des Vermieters diesen bei erfolgreicher Berufung gem. § 717 Abs. 2 ZPO zum Schadensersatz verpflichte.
Rz. 668
Der Rechtsanwalt hat den Mandanten über die mit der Abwehr einer Kündigung des Vermieters und der Rechtsverteidigung gegen eine Räumungsklage verbundenen Risiken aufzuklären, wenn der Mandant die Mietzahlungen unter Berufung auf nicht gesicherte aufrechenbare Schadensersatzansprüche einstellen will. Allerdings ist die fehlerhafte Beratung für die Kostenschäden des Mandanten nicht ursächlich, wenn sich der Mandant jedenfalls auch gegen eine wegen Eigenbedarfs berechtigte Kündigung und eine darauf gestützte Räumungsklage zur Wehr gesetzt hätte.