Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 736
Das Schmerzensgeld ist in § 253 BGB geregelt, der die §§ 249 bis 252 BGB für immaterielle Schäden modifiziert.
Rz. 737
Der Anspruch auf Schmerzensgeld kann zunächst einmal wie bisher schon auf unerlaubte Handlungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB gestützt werden, und zwar auch in Fällen der verschuldensunabhängigen Haftung, sowie auf Ansprüche wegen rechtswidriger Inhaftierung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK und in bestimmten Fällen auch bei § 97 Abs. 2 UrhG bei Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts.
Rz. 738
Darüber hinaus kann Schmerzensgeld – nachdem es nunmehr bei den Vorschriften über die Schadensberechnung im allgemeinen Teil des BGB geregelt ist – jetzt aber auch für alle anderen Anspruchsgrundlagen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, beansprucht werden, sofern § 253 Abs. 2 BGB nicht explizit ausgeschlossen wird und eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter verletzt ist.
Rz. 739
Demgemäß ist anders als im alten Recht ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht mehr grds. ausgeschlossen, wenn Ansprüche aus Gefährdungshaftung wie aus StVG, ProdHaftG, HPflG in Rede stehen; auch kann der Schmerzensgeldanspruch aus vertraglichen Nebenpflichtverletzungen herrühren.
Rz. 740
Der Anspruch auf Schmerzensgeld hat eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion. Der BGH hat jüngst in einem Urteil im Bereich des Persönlichkeitsrechts dem Schmerzensgeld sogar eine zusätzliche Präventionsfunktion zugesprochen. Eine Aufspaltung des geforderten Schmerzensgeldes in eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion ist indes nicht zulässig, da es sich um einen einheitlichen Anspruch handelt.
Rz. 741
Der Rechtsanwalt hat in Prozessen, in denen es um die Geltendmachung von Schmerzensgeld geht, die Aufgabe die Auswirkungen und Schwere der Verletzungen sowie die Dauer des verletzungsbedingten Leidens möglichst genau und konkret darzulegen. Als Hilfe können hier die Schmerzensgeldtabellen sowie die Zuhilfenahme des behandelnden Arztes oder eines medizinischen Sachverständigen gelten.
Rz. 742
Vor Geltendmachung eines solchen Anspruchs hat der Rechtsanwalt zu prüfen, ob die Heilbehandlung des Mandanten abgeschlossen ist und ob dessen Verletzungen ausgeheilt oder noch vorhanden sind, und ob mit Dauer- oder Spätfolgen zu rechnen ist. Dabei muss er prüfen (lassen), welcher Art und Ausprägung diese Dauer- oder Spätfolgen sein können und mit welcher Wahrscheinlichkeit mit dessen Eintreten zu rechnen ist.
Rz. 743
Die Rechtsprechung lässt einen Klageantrag, der die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts stellt, aus Gewohnheitsrecht zu (siehe Rdn 700, 744 ff.). Allerdings ist ein unbestimmter Klageantrag nur dann zulässig, wenn eine "Größenordnung" und somit ein Mindest- oder "Ungefährbetrag" genannt wird oder entsprechend einem bestimmten Streitwert Kostenmarken eingezahlt werden und der Streitwert im Prozess nicht erhöht wird.
Rz. 744
Praxistipp
Wie sich aus dem Beschluss des BGH ergibt, empfiehlt es sich jedoch für jeden Anwalt davon abzusehen, einen unbezifferten Schmerzensgeldantrag dergestalt zu stellen, "den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird" ohne einen Mindestbetrag zu nennen.
Der Antrag muss richtigerweise lauten:
"Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch xxx EUR, nebst Zinsen …zu zahlen“."
Außerdem sollte – um die Verjährung zukünftiger Ansprüche zu verhindern – zusätzlich beantragt werden:
"Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Schadensereignis mit dem Beklagten am xxx in xxx zukünftig noch entstehen werden“."
Dieser Feststellungsantrag ist stets zwingend zu stellen. Insbesondere darf er dann nicht versäumt werden, wenn auch ein Feststellungsantrag bezüglich der Verpflichtung zum Leisten von Schadensersatz von zukünftigen materiellen Schäden, soweit die Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind oder übergehen und soweit der Kläger von einem Sozialversicherungsträger keine kongruenten Leistungen erhalten oder noch zu beanstanden hat, gestellt wurde. Eine hieraus ergehende Entscheidung würde für das Schmerzensgeld – als immaterieller Schaden – mangels Kongruenz nicht gelten, sodass ein zusätzlicher, gesonderter Feststellungsantrag für immaterielle Schäden zwingend ist, vgl. Rdn 700.
Rz. 745
Das OLG Karlsruhe liefert in seinem Beschl. v. 16.2.2011 weitere praktische Tipps zur Höhe des Mindestbetrages:
Zitat
"Der empirisch feststellbare Zusammenhang zwischen der Bezifferung im Klageantrag einerseits und dem gerichtlich als angemessen erachteten Schmerzensgeld andererseits beruht auf dem so genannten “Ankereffekt‘."
Bei Entscheidungen von Experten, die scheinbar nur auf rationalen Erwägungen beruhen, spielen regelmäßig auch intuitive Prozesse eine Rolle.
Rz. 746
Zitat
"Bei richterlichen Entscheidun...