a) Allgemeines
Rz. 151
Typischerweise spielt die Frage der Verkehrssicherungspflichtverletzung im Straßenverkehrsrecht in folgenden Fällen eine Rolle:
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wenn sich Verkehrsunfälle durch unzureichende Kennzeichnung von Gefahrenstellen ereignen |
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wenn Fahrbahnunebenheiten oder übermäßig rutschige Fahrbahnbeläge zum Entstehen des Schadens beigetragen haben |
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bei Verletzung der Räum- und Streupflicht |
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bei Straßenbauarbeiten |
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wenn Einrichtungen eines Straßenbaulastträgers oder von ihm verwaltete Baumbestände eine Unfallursache gesetzt haben. |
Rz. 152
In all diesen Fällen ist die Eingangsüberlegung, ob eine Haftung aus § 823 BGB oder § 839 BGB in Frage kommt, seit der Entscheidung des BGH in NJW 1979, 2043 überholt, da der BGH hierzu festgestellt hat, dass das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht durch einen Träger öffentlicher Gewalt nicht eingreift. Gleiches gilt in den Fällen, in denen ein Träger öffentlicher Gewalt (Beamter) am allgemeinen Verkehr teilnimmt und hierbei einen Verkehrsunfall verursacht (BGH VersR 1994, 347).
Rz. 153
Das Verweisungsprivileg ist hingegen anwendbar, wenn ein Amtsträger bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr Sonderrechte nach §§ 35, 38 StVO (Einsatz von Blaulicht und Martinshorn) in Anspruch nimmt (BGH VersR 1991, 925).
b) Räum- und Streupflicht
Rz. 154
Im Rahmen des Straßenverkehrs kommt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht insbesondere bei Verletzung der winterlichen Räum- und Streupflicht in Betracht.
Rz. 155
Die Räum- und Streupflicht trifft grundsätzlich denjenigen, der den Verkehr eröffnet. Dies sind bei Kreisstraßen regelmäßig die Kreise, bei Landes- und Bundesstraßen grundsätzlich die Länder, da die Verkehrssicherungspflicht dem obliegt, der die Verwaltung der Straßen tatsächlich inne hat (BGH VersR 1959, 228).
Rz. 156
Gemäß Art. 90 Abs. 2 GG werden die Bundesstraßen kraft Auftragsverwaltung von den Ländern verwaltet. Sie üben die Straßenaufsicht im Auftrag des Bundes aus, was auch in § 20 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz (BFStrG) festgeschrieben ist. Der BGH geht daher konsequenterweise davon aus, dass auch die Länder für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf den Bundesstraßen haften (BGH VersR 1983, 639).
Rz. 157
Die Verkehrssicherungspflicht für Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen obliegt nach § 5 Abs. 2 BFStrG den Gemeinden, soweit sie mehr als 80.000 Einwohner haben.
Rz. 158
Gemeinden mit mehr als 50.000, aber weniger als 80.000 Einwohnern können nach § 5 Abs. 2a BFStrG Träger der Straßenbaulast werden.
Rz. 159
Bei Landesstraßen unterscheidet man Landstraßen I. Ordnung und II. Ordnung. Für Landstraßen I. Ordnung obliegt die Verkehrssicherungspflicht dem Land. Bei Landstraßen II. Ordnung kann jedes Land die Pflicht auf den Kreis oder den betroffenen Bezirk übertragen.
Rz. 160
Grundsätzlich muss derjenige räumen und streuen, der den Verkehr eröffnet hat. Ist er hierzu nicht in der Lage, kann er die Verpflichtung auf eine andere Person übertragen (BGH VersR 1970, 182). Ihn trifft jedoch nach wie vor eine Überwachungspflicht.
Rz. 161
Der Umfang der Räum- und Streupflicht richtet sich sowohl zeitlich als auch räumlich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere also nach den örtlichen Verhältnissen sowie der Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges. Für die Zumutbarkeit der Räum- und Streupflicht ist dabei auch die Leistungsfähigkeit des Streupflichtigen von Bedeutung.
Rz. 162
Zum Schadenersatzanspruch beim Sturz eines Radfahrers auf einem ungeräumten Gehweg wegen der Verletzung der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde vgl. BGH zfs 2004, 66.
Rz. 163
Der BGH betont in ständiger Rechtsprechung, dass Gemeinden ihrer Streupflicht nur dann genügen, wenn durch das Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren beseitigt werden, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen (BGH NJW 1993, 2803 unter Hinweis auf BGH NJW 1991, 33).
c) Straßenbäume
Rz. 164
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann auch dem Eigentümer eines Baumes angelastet werden, wenn beispielsweise durch einen umfallenden Baum selbst oder herabfallende Zweige ein Kraftfahrzeug beschädigt oder ein Mensch verletzt wird (vgl. zu den Anforderungen BGH zfs 2004, 305 = VersR 2004, 877 = NZV 2004, 454 = DAR 2004, 263).
Rz. 165
Nach der überwiegenden Rechtsprechung ist es für den Eigentümer eines Baumes geboten, seinen Baum in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen. Grundsätzlich genügt dabei eine äußere Zustands- und Gesundheitsprüfung. Grundsätzlich sind zwei jährliche Sichtkontrollen ausreichend (OLG Hamm zfs 1997, 203; OLG Hamm NJW-RR 2003, 968; OLG Düsseldorf VersR 1992, 467; OLG Brandenburg OLGR 2002, 411).
Rz. 166
Bestehen allerdings Anzeichen für eine gesteigerte Gefährdung, die von dem Baum ausgeht (morsche Äste o.Ä.), ist eine eingehende fachmännische Untersuchung dahingehend erforderlich, ob von dem Baum Gefahren für Menschen oder Sachen ausgehen können (O...