Rz. 230

Eine weitere Voraussetzung der Halterhaftung nach § 7 StVG ist, dass der Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eingetreten ist.

 

Rz. 231

Der Schaden ist dann beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn er durch die dem Kfz-Betrieb innewohnende Gefährlichkeit adäquat verursacht worden ist. Es müssen sich also die typischerweise von dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgehenden Gefahren bei der Entstehung des Schadens ausgewirkt haben, d.h. bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung muss das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit-)geprägt worden sein (BGH v. 24.3.2015 – VI ZR 265/14 – zfs 2015, 495).

 

Rz. 232

Zwar reicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung – z.B. Parkweise – zu der Entstehung des Schadens in irgendeiner Weise beigetragen hat (EuGH zfs 2018, 155; VersR 2019, 1008; BGH NJW 1972, 1808; 1988, 2802; VersR 2017, 311). Maßgeblich ist, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht (BGH v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13 – VersR 2014, 396). Eine Berührung zwischen den am Unfallgeschehen beteiligten Fahrzeugen ist nicht Voraussetzung für eine Haftung aufgrund des Betriebs gem. § 7 Abs. 1 StVG, sodass es z.B. ausreichen kann, dass der Geschädigte durch den Betrieb eines anderen Fahrzeugs zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird, selbst wenn die Abwehr- oder Ausweichreaktion als voreilig und daher weder objektiv noch subjektiv als erforderlich anzusehen ist (BGH v. 21.9.2010 – VI ZR 263/09 – VersR 2010, 1614 = zfs 2011, 75; BGH v. 21.9.2010 – VI ZR 265/09 – SVR 2010, 466; BGH VersR 2017, 311).

 

Rz. 233

Zumindest im öffentlichen Verkehrsbereich gilt dabei nach der herrschenden verkehrstechnischen Auffassung eine weite Auslegung des Begriffs "beim Betrieb".

 

Rz. 234

Demgegenüber ging die früher vom BGH vertretene engere maschinentechnische Auffassung davon aus, dass der Betrieb mit dem Ingangsetzen des Motors beginnt und mit dem Motorstillstand außerhalb des öffentlichen Verkehrsbereichs bzw. dem vorschriftsmäßigen Parken auf ausschließlich dem ruhenden Verkehr vorbehaltenen, von der Fahrbahn getrennten Flächen endet (BGH VersR 1959, 157; BGH NJW 1975, 1886), d.h. wenn das Kraftfahrzeug sein bestimmungsgemäßes Ziel erreicht hat. Danach konnte eine Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeugs nur so lange greifen, wie es sich motorbetrieben etwas in Bewegung befand.

 

Rz. 235

Diese Auffassung kann jedoch all diejenigen Fälle nicht erfassen, in denen beispielsweise falsch geparkte Fahrzeuge, die eine ganz erhebliche Gefahr darstellen können, einen Verursachungsbeitrag zu einem Schaden gesetzt haben (BGH VersR 1969, 668; 1995, 96).

 

Rz. 236

Wenn der BGH in der Haftung nach § 7 StVG den Preis dafür sieht, dass die Verwendung des Kraftfahrzeugs erlaubterweise die Eröffnung einer Gefahrenquelle darstellt, bei der alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfasst werden sollen (BGH NJW 1988, 2802), muss konsequenterweise eine Haftung aus Betriebsgefahr unter Umständen auch dann in Betracht kommen, wenn ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum ordnungsgemäß geparkt ist. Dies gilt gleichermaßen für einen im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten Anhänger, der dazu bestimmt ist, von einem Kfz mitgeführt zu werden.

 

Rz. 237

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls muss beweisen, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat (OLG Saarbrücken NZV 2018, 218).

Demgegenüber ist dem Halter die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises allein durch den Nachweis ermöglicht, dass der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde (§ 7 Abs. 2 StVG).

 

Rz. 238

Noch zum Betrieb eines Kfz gehörig sind die Schäden, die durch verlorene Ladung entstehen (BGH NJW 1964, 411). Hierzu gehören auch die Fälle der Verschmutzung der Fahrbahn durch ein Kfz (BGH NJW 1982, 2669).

 

Rz. 239

Auch das Be- und Entladen gehört zum Betrieb eines Kfz (BGH VersR 1965, 1149), ebenso das Betanken und das Ein- und Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug (EuGH zfs 2019, 212; OLG Nürnberg NZV 1989, 354). Demgegenüber geht von einem Fahrer, der sich nach dem Abstellen und Verschließen von seinem Fahrzeug entfernt und der auch keinerlei Handlungen mehr vornehmen will, die in irgendeiner Weise dem Betrieb des Fahrzeugs zuzurechnen sind, auch wenn dieser sein Fahrzeug nur kurz vorher geparkt und verschlossen hat, jedenfalls keine Gefahr mehr aus, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs steht (OLG Hamm VersR 2018, 1084). Jüngst hat der BGH bestätigt, dass auch das Entladen von Öl aus einem Tanklastwagen mittels einer auf ihm befindlichen Entladevorrichtung dem Betrieb des Kfz zuzurechnen ist, wenn es wegen einer Undichtigkeit des zur Schlauchtrommel des Wagens führenden Verbindungsschlauches zu Schäden an der Straße oder einem Grundstück kommt (BGH v. 8.12.2015 – V...

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