Prof. Dr. Alexander Krafka, Prof. Dr. Sabine Otte
Rz. 106
Es besteht Einigkeit darüber, dass das Registergericht berechtigt und verpflichtet ist, die sachliche Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen zu überprüfen. Gegenstand dieser materiellen Prüfung ist die einzutragende Tatsache, Inhalt dagegen die Feststellung, ob die zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte bzw. Erklärungen wirksam sind.
Hinweis
Dass das Gericht nicht an die Beurteilung der Sachlage durch die Beteiligten gebunden ist und ggf. aufgrund eigenständig durchzuführender Ermittlungen nach § 26 FamFG den wahren Sachverhalt aufzuklären hat, lässt sich u.a. den Vorschriften über die amtswegige Löschung unrichtiger Eintragungen entnehmen, die sich nicht nur auf Verfahrensfehler beziehen, sondern auch auf materiell-rechtliche Mängel der eingetragenen Tatsachen (vgl. insb. §§ 395 ff. FamFG).
Rz. 107
Ausgehend von dieser Grundlage lässt sich verschiedenen gesetzlichen Vorschriften der Umfang einer solchen materiellen Prüfung positiv entnehmen. So sieht § 38 AktG ausdrücklich vor, dass i.R.d. Gründung einer AG deren ordnungsmäßige Errichtung zu prüfen ist. Ebenso wie § 9c Abs. 3 GmbHG enthält allerdings § 38 Abs. 2 AktG Beschränkungen für den Umfang der registerlichen Kontrolle. Danach ist der Inhalt der jeweiligen Satzung des neu einzutragenden Rechtsträgers nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob gläubigerschützende Vorschriften verletzt sind oder die Gesamtnichtigkeit der Satzung infrage steht.
Rz. 108
Auch wenn der Gesetzgeber keine allgemeine Vorschrift zum materiellen Prüfungsrecht des Registergerichts geschaffen hat, ist zutreffend als rechtliche Grundlage einer materiellen Prüfung die Aufgabe und Funktion der Rechtsträgerregister anzusehen, die darin besteht, mittels Offenlegung bestimmter Tatsachen und Rechtsverhältnisse Verkehrsschutz zu gewährleisten. In diesem Rahmen wird mittels Kontrolle der Anmeldenden durch das Gericht durch Feststellung des Vorliegens der Eintragungsvoraussetzungen ein funktionstaugliches Registerwesen überhaupt erst geschaffen. Keineswegs ist damit ausgesagt, dass das Gericht stets den Sachverhalt vollständig mit allen erreichbaren Beweisen ermitteln muss. Vielmehr ist hierfür einerseits der jeweils konkret vorliegende Prüfungsgegenstand maßgeblich und andererseits die Plausibilität des kraft Gesetzes erforderlichen Vortrags der Beteiligten in der Registeranmeldung und den beizufügenden Unterlagen. Die zusammenfassende Formulierung dieses Ergebnisses in Lit. und Rspr. geht dahin, dass nur bei Vorliegen begründeter Zweifel in Bezug auf das Vorliegen der einzutragenden Tatsache das Registergericht zur Aufklärung des wahren Sachverhalts berechtigt und verpflichtet ist. Wie erwähnt (Rdn 106) ergibt sich dieses Prüfungsrecht bereits aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Registerverfahrens, ohne dass hierfür auf eine bestimmte Vorschrift abgestellt werden muss.
Rz. 109
Für die Frage, ob eine nähere Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht geboten ist, kommt es also darauf an, ob eine erste Plausibilitätsprüfung zu objektiv begründeten Zweifeln am Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen geführt hat. Diese Zweifel müssen im Einzelfall stets auf konkreten Anhaltspunkten beruhen, die dafür sprechen, dass sachliche Unstimmigkeiten vorliegen. Die Aufklärung dieser Zweifel erfolgt sodann nach § 26 FamFG unter Beteiligung des jeweils betroffenen Rechtsträgers. In diesem Rahmen hat das Gericht die Funktionsfähigkeit des Registers zu bewahren und befindet sich daher im Spannungsfeld zwischen den abstrakten Interessen des Rechtsverkehrs an einem zutreffenden Registerinhalt und den konkreten Interessen des jeweiligen Rechtsträgers an einer zügigen Vornahme der beantragten Eintragung.
Hinweis
Keine Zweifel bestehen allerdings darüber, dass die Prüfungsbefugnis stets mit dem Umfang einer dahin gehenden Prüfungspflicht des Gerichts übereinstimmt.
Rz. 110
Bei der Ausgestaltung des Verfahrens sind i.Ü. neben dem abstrakten Ziel sachlich richtiger Eintragungen unnötige Verfahrensverzögerungen und Kostenbelastungen der Beteiligten möglichst zu vermeiden.
Rz. 111
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen erschließt, sind weder Bestand noch Umfang des materiellen Prüfungsrechts davon abhängig, ob die fragliche Eintragung im Register deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat. Prüfungsmaßstab sind letztlich die sachlichen Vorgaben des materiellen Rechts. Sehen allerdings die registerrechtlichen Bestimmungen vor, dass all diejenigen Personen anzumelden haben, die auch materiell-rechtlich über den angemeldeten Gegenstand verfügen können, so darf dem ersten Anschein zufolge davon ausgegangen werden, dass die Anmeldung inhaltlich mit der Rechtswirklichkeit übereinstimmt. Daher sind im Regelfall weitere Nachforschungen bei Anmeldungen von Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften (vgl. § 107 Abs. 7 HGB) nicht angezeigt.