Rz. 40
Die Einordnung der Rechtsprechung und ihre Folgen für den Käufer brachten ihr den Ruf ein, einseitig Händlerinteressen zu vertreten. Die Literatur und auch die neuere Rechtsprechung gehen richtigerweise von der Annahme eines typengemischten Vertrages aus.
Rz. 41
Es entspricht dem mutmaßlichen Parteiwillen und der heutigen Interessenlage, den Normalfall der Inzahlungnahme als eine Mischung aus Kauf- und Tauschvertrag zu klassifizieren, mit der Befugnis des Käufers, statt den Gebrauchtwagen abzugeben, einen festen Anrechnungsbetrag zu zahlen. Zwar geht es, wie der BGH argumentiert, den Parteien vorrangig um den Neuwagenerwerb. Dies allein rechtfertigt aber nicht die Einstufung der Primärleistung als volle Geldschuld, die ersatzweise durch den Altwagen erbracht werden kann, da die tatsächlichen Gegebenheiten dadurch nur unvollkommen rechtlich abgebildet werden. Im Interesse des Händlers liegt der durch die Inzahlungnahme geschaffene Anreiz zum Kauf eines Neuwagens durch den Kunden. Das Käuferinteresse geht von vornherein dahin, die Gegenleistung dieses Neuwagengeschäfts nur zu einem Teil in Geld zu erbringen, zum anderen durch seinen Gebrauchtwagen zu "bezahlen". Unter Einbeziehung dieser weiteren Elemente wird sowohl dem Willen des Käufers besser entsprochen, als auch der wirtschaftlichen Realität, da der Erwerb in der überwiegenden Zahl der Fälle nur durch die Verknüpfung mit der Inzahlunggabe des Altwagens finanziell möglich ist. Dies gilt umso mehr als der Preis des Gebrauchtfahrzeugs in zunehmendem Maße zugunsten des Käufers über dem tatsächlichen Händlereinkaufspreis liegt, sei es durch eine Herstelleraktion, wie z.B. "bis zu x-tausend EUR über DAT-Schwacke für ihren Gebrauchten", oder durch eine bewusst günstige Bewertung durch den Verkäufer. Die Festlegung des Käufers auf die Bestandteile Geld und Gebrauchtfahrzeug als primäre Leistungspflicht führt zur Klassifizierung als typengemischter Vertrag, bei dem die Vereinbarung der Inzahlungnahme nicht bloße "Nebenabrede" ist. Auch die Pflicht des Händlers zur Annahme des Altwagens ist Indiz für eine aus Geld und Fahrzeug zusammengesetzten Primärleistung des Neuwagenkäufers.
Rz. 42
Dementsprechend erfasste die vom Händler erklärte Wandlung aufgrund von Mängeln des Altfahrzeugs das gesamte Rechtsverhältnis mit der Folge, dass der Käufer die Rücknahme des neuen Fahrzeugs und die Rückzahlung des Barpreises verlangen konnte. Auch nach der neueren Rechtsprechung ist die Rückabwicklung in dieser Weise gestaltet, wenn der Händler das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft geltend macht oder den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anficht. Der Käufer hatte dem Verkäufer dann jedoch für die Zeit bis zur Rückgabe des Neuwagens gem. §§ 347 S. 2 BGB a.F., 987 BGB Nutzungsentschädigung zu zahlen.
Rz. 43
Bei analoger Anwendung der Vorschriften zur Minderung ist der Anrechnungspreis im Verhältnis zum Wert des Altwagens im mangelhaften Zustand zum Wert in mangelfreiem Zustand herabzusetzen, so dass der Vorteil eines günstigen Anrechnungspreises ("verdeckter" Rabatt) dem Käufer erhalten bleibt.
Rz. 44
Im Fall des unverschuldeten Untergangs des Altwagens vor Übergabe sind beide Parteien gem. §§ 275 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB a.F. aufgrund der Unmöglichkeit der Leistungspflicht hinsichtlich des Vertragsbestandteils Tausch frei geworden, so dass der Käufer nicht mehr zur Abnahme des Neuwagens gegen Zahlung des Kaufpreises in voller Höhe verpflichtet war.
Rz. 45
Nach der Ansicht des BGH rechtfertigt die volle Zahlung des Kaufpreises, dass der Käufer auch die volle Gegenleistung erhalte und zudem als Schuldner für seine Leistungsfähigkeit verantwortlich ist. Jedoch übersieht diese Auffassung, dass in derartigen Fällen das Freiwerden von der Leistungspflicht auch durch den Gesetzgeber in § 275 BGB gebilligt und verankert worden ist und eine andere Wertung des BGH nur durch die Ausgestaltung als Befugnis zur Ersetzung und nicht als Pflicht angeknüpft werden konnte. Vorzugswürdig, da interessengerechter ist daher das Vorgehen der Literatur. Der Hinweis der Gegenauffassung, dem Käufer sei immerhin ein Rückgriff auf ein stellvertretendes commodum in Form der Versicherungsleistung der Kaskoversicherung möglich, soll die Härte ihres Lösungsweges kompensieren, zeigt aber auf, dass die Regelung in sich keine ausgewogene Lösung darstellt, wenn sie sich des Rückgriffs auf Ersatzleistungen bedienen muss und übersieht zudem, dass nicht jeder Fahrzeughalter – insbesondere älterer Fahrzeuge – eine Kaskoversicherung abgeschlossen hat. Daher weicht die Gegenmeinung "zur Korrektur von Extremfällen" auf den mit der Schuldrechtsreform eingeführten § 313 BGB, die Störung der Geschäftsgrundlage, aus. Sie stuft ausnahmsweise die Möglichkeit der Inzahlunggabe als Grundlage des Vertrages ein, deren Wegfall eine schwerwiegende Veränderung eines zur Geschäftsgrundlage gewordenen Umstandes darstelle und nähert sich damit wiederum der Literaturauffassung an.
Rz. 46
Ledigl...