Rz. 73
Die Düsseldorfer Tabelle beschränkt sich auf den Unterhalt bei Einkommen bis 11.000 EUR. Darüber hinaus, also für monatliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen über diesem Betrag, soll der Unterhalt nach den Umständen des Falles zu bemessen sein. Diese Pauschalierungsgrenze ist sachgerecht und erlaubt.
Rz. 74
Praxistipp
Die Düsseldorfer Tabelle errichtet bei dem Einkommensbetrag von 11.000 EUR keine Sättigungsgrenze in Sinne einer pauschalen (Unterhalts-)Obergrenze. Ab einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 11.000 EUR hat die Bedarfsbemessung vielmehr "konkret" zu sein, das heißt an den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen.
Rz. 75
Folglich können und dürfen die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle für Einkommen über 11.000 EUR nicht schematisch fortgeschrieben werden. Vielmehr ist der Bedarf des Unterhaltsberechtigten konkret zu ermitteln, da nach Auffassung des BGH ansonsten die Gefahr der Zweckentfremdung des ausschließlich zur Bedarfsdeckung des Kindes bestimmten Unterhalts besteht und so der Problematik der Ermittlung des Lebenszuschnittes des Kindes bei erheblich über dem Durchschnitt liegenden Einkommen der Eltern sinnvoll begegnet werden kann.
Rz. 76
Der Unterhaltspflichtige befriedigt durch Unterhaltszahlung an den Berechtigten seinen gesamten, auch gehobenen Lebensbedarf. Aber der Pflichtige braucht den Berechtigten nicht am Luxus teilhaben lassen (§ 1610 Abs. 2). Auch in besten Verhältnissen lebende Eltern schulden dem Kind nicht, was es wünscht, sondern was es nach deren Lebensstandard, an den es sich gewöhnt hat, braucht. Dieser Lebensstandard soll dem Kind auch nach Trennung der Eltern grundsätzlich erhalten bleiben. Die Unterhaltszahlung an den Berechtigten soll aber auch nicht dazu führen, die Lebensstellung des Elternteils anzuheben, bei dem das Kind lebt (Zweckentfremdung).
Rz. 77
Praxistipp
Die Höhe des Bedarfs des minderjährigen Kindes ist ab einem Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen von monatlich 5.501 EUR im Wege der konkreten Bedarfsermittlung festzustellen.
Rz. 78
Die Zahlung von Kindesunterhalt dient dazu den gesamten – ggfs. auch gehobenen – Lebensbedarf des Kindes sicherzustellen. Wie sich dieser Lebensbedarf des Kindes darstellt, welche Bedürfnisse des Kindes auf seiner Grundlage zu befriedigen sind, ist im Einzelfall unter Würdigung der besonderen Verhältnisse des Pflichtigen als auch des Berechtigten festzustellen.
Daher muss der Berechtigte alle zur Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstandards benötigten Kosten wie Taschengeld, Kleidung, Urlaub, Sport, Hobby, öffentlicher Nahverkehr, Wohnen usw. im Einzelnen darlegen. An dieser Stelle ergeben sich regelmäßig praktische Schwierigkeiten, nicht zuletzt für den anwaltlichen Vertreter des Unterhaltsgläubigers, da die Ausgabensituation gerade in sehr guten Einkommensverhältnissen zu Zeiten des intakten Familienlebens nicht immer wahrgenommen oder alleine von einer Person bestritten wird.
Rz. 79
Hinweis
An diesem Punkt der anwaltlichen Tätigkeit ist es sinnvoll, mit dem Mandanten bzw. dessen betreuendem Elternteil die nachfolgende Checkliste anhand eines mehrmonatigen Kontoverlaufs durchzugehen. So kann das Bewusstsein des Berechtigten, der bislang Aufwendungen für seinen Lebensbedarf durch die Eltern als gegeben empfunden hat, für seinen konkreten Bedarf geweckt werden.
Rz. 80
Checkliste:
|
Schulgeld, Essen, Betreuung, Aufwendungen für Materialien, Transport, Nachhilfe usw. |
|
Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung usw. |
▪ |
Musikalische Ausbildung: |
|
Unterricht, Konzertreisen, Anschaffung Instrumente usw. |
|
Beitrag Fitnessstudio oder Sportverein, Trainerstunden, Ausrüstung usw. |
|
Ausflüge, Kino, Schwimmbadbesuche, Besuch kultureller Veranstaltungen (Konzerte, Theater) usw. |
▪ |
Geschenke bei Einladungen |
|
|
▪ |
Telekommunikation, Mobilfunk, Anschaffung Mobiltelefon usw. |
|
|
|
|
|
|
Rz. 81
Unter Umständen ist es sinnvoll, als anwaltlicher Vertreter seiner Mandantschaft aufzugeben, das konkrete Ausgabeverhalten über einen längeren Zeitraum, mindestens einen Monat, zu dokumentieren. Für diesen Zweck sind mittlerweile Smartphone Apps erhältlich.
Rz. 82
Der Bedarf kann nötigenfalls auch bestimmt werden, indem der Mehrbetrag durch Vergleich der besonderen Bedürfnisse des Berechtigten mit den von den Richtwerten der Düsseldorfer Tabelle bereits erfassten Grundbedürfnissen ermittelt wird.
Rz. 83
Bei der konkreten Bedarfsbemessung bewegen sich der Berechtigte und sein anwaltlicher Vertreter außerhalb der allgemeinen richterlichen Erfahrungswerte, die in der Düsseldorfer Tabelle abgebildet sind. Daher sind die Gesamtumstände und Lebensbedürfnisse des Berechtigten, aus denen er seinen Bedarf ableitet, konkret (substantiiert!) darzulegen und im Falle des Bestreitens zu beweisen. Allerdings dürfen an die Darlegungslast des Berechtigten keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, da sonst die Gefahr best...