Rz. 593
Grundsätzlich sind Vereinbarungen über den Kindesunterhalt möglich und darüber hinaus nicht formbedürftig. Allerdings ist hinsichtlich der Zulässigkeit die Einschränkung des § 1614 Abs. 1 zu beachten, nach dem auf künftigen Kindesunterhalt nicht verzichtet werden kann.
Rz. 594
Praxistipp
Es kann ein (Kindes-)Unterhaltsanspruch durch Vereinbarung begründet werden, auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, mithin eine Anspruchsgrundlage, nicht gegeben sind. Erforderlich ist eine eindeutige vertragliche Absprache.
Rz. 595
Eine Vereinbarung über den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder muss zwischen dem Vertretungsberechtigten und dem anderen Elternteil getroffen werden. Für das minderjährige Kind muss also der alleinsorgeberechtigte Elternteil oder bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet (§ 1629 Abs. 2 Satz 2), handeln.
Rz. 596
Sind die Eltern noch verheiratet, leben aber getrennt oder ist zwischen ihnen eine Ehesache anhängig, kann der Elternteil, bei dem das Kind seinen Aufenthalt hat, die Vereinbarung mit dem anderen Elternteil nur in eigenem Namen abschließen (§ 1629 Abs. 3 Satz 1).
a) Unzulässigkeit des Verzichts auf zukünftigen Kindesunterhalt, § 1614 Abs. 1
Rz. 597
§ 1614 Abs. 1 bestimmt, dass auf Kindesunterhalt für die Zukunft nicht – auch nicht teilweise – verzichtet werden kann. Für die Unzulässigkeit einer Vereinbarung über Kindesunterhalt genügt es, dass der Unterhalt objektiv verkürzt wurde. Eine Vereinbarung über Kindesunterhalt ist auch dann unzulässig, wenn das Einkommen des Unterhaltsschuldners zu niedrig in der Düsseldorfer Tabelle eingruppiert wurde. Die Zusage des gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Kindes für dieses Unterhalt nicht geltend zu machen, ist ebenfalls unzulässig.
Rz. 598
Trotzdem gesteht § 1614 Abs. 1 den Beteiligten im Bereich der Unterhaltsbemessung eine – begrenzte – Flexibilität zu, da eine Vereinbarung zum Kindesunterhalt erst unzulässig sein soll, wenn und soweit sie den Rahmen der Angemessenheit verlässt. Eine Unterschreitung der gebräuchlichen Tabellensätze um bis zu 20 % ist – noch – zulässig, eine Abweichung um ⅓ nicht mehr. In der Spanne dazwischen ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob der darin liegende Verzicht unzulässig ist nach § 1614 Abs. 1.
b) Verzicht auf rückständigen Unterhalt
Rz. 599
Der Verzicht auf (Kindes-)Unterhaltsrückstände im Wege des Erlassvertrages nach § 397 ist möglich. Der Erlassvertrag kann konkludent zustande kommen, soweit und sofern beim Unterhaltsgläubiger ein rechtsgeschäftlicher Aufgabewille vorhanden ist. Alleine der Umstand, dass der Unterhalt über einen längeren Zeitraum nicht verlangt worden ist, spricht nicht für das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Aufgabewillens.
Rz. 600
Praxistipp
Das konkludente Zustandekommen eines Erlassvertrages ist regelmäßig nicht der Fall. Daher ist zu prüfen, ob der Unterhaltsgläubiger einen Grund für einen solchen Verzicht hatte oder ob eine andere Erklärung für die Unterlassung der Geltendmachung gegeben ist.
c) (Unterhalts-)Freistellungsvereinbarungen
Rz. 601
Eltern haften für den Unterhalt ihrer Kinder, der deren gesamten Lebensbedarf umfasst (§ 1610 Abs. 2), bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1). Sie können sich allerdings im Verhältnis zueinander über die von ihnen zu leistenden Unterhaltsbeträge verständigen. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung darf ein Elternteil den anderen auch von dessen Verpflichtung, an das Kind anteilig oder insgesamt Unterhalt zu leisten, teilweise oder insgesamt freistellen (Freistellungsvereinbarung).
aa) Das Innenverhältnis: Elternteil/Elternteil
Rz. 602
Soweit die Eltern untereinander auf Kindesunterhalt verzichten, kommt auch nur zwischen ihnen ein Vertrag zustande, es sei denn, dass ein Elternteil ausdrücklich und unmissverständlich im Namen des Kindes handelt. Eine Freistellungsvereinbarung der Eltern stellt eine Erfüllungsübernahme (vgl. §§ 329, 415 Abs. 3) dar und entfaltet Rechtswirkung nur zwischen den Eltern, nicht aber für und gegen das Kind. Daher ist das Kind an eine solche (vertragliche) Verpflichtung eines Elternteils gegenüber dem anderen nicht gebunden.
Rz. 603
Für rückständigen Unterhalt hingegen kann die Freistellung durch den sorgeberechtigten Elternteil sehr wohl dazu führen, dass dem Kind, dessen Unterhaltsbedarf in der Vergangenheit gedeckt war, nach Ende einer Freistellungsvereinbarung für die Vergangenheit kein Anspruch auf Unterhalt zusteht, da durch die Freistellungsvereinbarung auf die Geltendmachung laufenden Unterhalts verzichtet oder ein Bestimmungsrecht i.S.d. § 267 ausgeübt worden ist, das zum Erlöschen des Unterhaltsanspruchs führte (§ 362).