Leitsatz

In der vorliegenden Entscheidung beschäftigt sich das OLG Rostock mit der Frage, wie zu verfahren ist, wenn ein minderjähriges Kind während des laufenden Unterhaltsverfahrens seinen ständigen Aufenthalt wechselt und von dem Haushalt des einen in den Haushalt des anderen Elternteils umzieht.

 

Sachverhalt

Die im Jahre 1994 geborene Antragstellerin, die im Haushalt Ihres Vaters lebte, nahm die Antragsgegnerin, ihre Mutter, auf Zahlung rückständigen Unterhalts für den Zeitraum vom 1.7.2010 bis zum 31.10.2010 sowie auf Erhöhung des laufenden Unterhalts ab 1.11.2010 und auf Zahlung von Sonderbedarf und Anwaltskosten in Anspruch.

Zum Zeitpunkt der Antragserhebung wirkte ihr Vater als ihr gesetzlicher Vertreter mit. Die elterliche Sorge für die Antragstellerin übten die Eltern mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts gemeinsam aus.

Am 01.02.2011 wechselte die Antragstellerin in den Haushalt ihrer Mutter, bei der sie seither lebte. In der mündlichen Verhandlung vor dem FamG am 29.3.2011 ist eine Erledigung des Rechtsstreits nicht erklärt worden. Durch Beschluss verpflichtete das Familiengericht die Antragsgegnerin zur Zahlung rückständigen Unterhalts, der Erhöhung des laufenden Unterhalts vom 1.11.2010 bis zum 31.1.2011, des Sonderbedarfs und der Anwaltskosten.

Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Das Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG hat der Beschwerde der Antragsgegnerin stattgegeben und den Antrag, die Antragsgegnerin zur Zahlung von Kindesunterhalt zu verpflichten, als unzulässig zurückgewiesen. Die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtsfehlerhaft. Die Anträge hätten schon dort als unzulässig abgewiesen werden müssen.

Seit dem 01.02.2011 sei der Antrag der Antragstellerin insgesamt und nicht nur für den Unterhaltszeitraum ab der Obhutsänderung unzulässig, weil diese nicht mehr verfahrensfähig i.S.d. § 113 FamFG i.V.m. § 51 ZPO i.V.m. §§ 2, 106, 107 BGB sei. Nach §§ 2, 106 BGB sei nur ein Geschäftsfähiger verfahrensfähig, der das 18. Lebensjahr vollendet habe. Gemäß § 107 BGB hätte die noch minderjährige Antragstellerin daher der Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter bedurft, da es sich bei der Geltendmachung des Unterhalts weder um ein Geschäft des täglichen Lebens noch wegen des Kostenrisikos eines Gerichtsverfahrens um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft gehandelt habe.

Die Antragstellerin sei bis zum Obhutswechsel am 31.1.2011 ordnungsgemäß rechtlich durch ihren Vater vertreten gewesen, weil § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB bei gemeinsamer Sorge für Unterhaltsansprüche des minderjährigen Kindes denjenigen Elternteil zur Vertretung berufe, in dessen Obhut sich das Kind befinde.

Wenn das Obhutsverhältnis auf den anderen Elternteil übergehe, ende diese gesetzliche Ermächtigung. Ein von dem bislang alleinvertretungsberechtigten Elternteil eingeleitetes Unterhaltsverfahren werde wegen Fortfalls der gesetzlichen Vertretung des Kindes insgesamt unzulässig. Dies gelte auch rückwirkend hinsichtlich der Unterhaltsansprüche. Mit Wegfall der Vertretungsbefugnis entfalle rückwirkend bis zur Verfahrenseinleitung auch die Befugnis des Kindesvaters zur Beauftragung eines Rechtsanwalts. Auch der Verfahrensbevollmächtigte werde wie der vormalige gesetzliche Vertreter rückwirkend zum Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.d. § 177 BGB.

Zur Vermeidung einer ungünstigen Kostenfolge sei dem bislang allein vertretungsberechtigten Elternteil allerdings zu gestatten, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Eine solche Erledigungserklärung sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt und könne auch in der Beschwerdeinstanz nicht nachgeholt werden.

 

Hinweis

Bei dem Obhutswechsel eines minderjährigen Kindes von dem Haushalt eines Elternteils in die Obhut des anderen Elternteils ist zu beachten, dass hierdurch die Vertretungsbefugnis des bisherigen Vertreters rückwirkend entfällt. Zur Vermeidung einer negativen Kostenfolge muss daher rechtzeitig eine Erledigungserklärung abgegeben werden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Rostock, Beschluss vom 14.01.2012, 10 UF 146/11

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