Rz. 455
Im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ist das Spannungsverhältnis zwischen der Unterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern aus der alten – beendeten – Lebensgemeinschaft des Unterhaltsschuldners und seiner Unterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindern aus der aktuellen Lebensgemeinschaft zu lösen.
Rz. 456
Übernimmt der Barunterhaltspflichtige in der neuen Lebensgemeinschaft, unabhängig davon, ob eheliche oder nichteheliche Lebensgemeinschaft, die Haushaltsführung und gegebenenfalls Betreuung der – gemeinsamen – Kinder, kommt es zum Konflikt zwischen den Pflichten des Unterhaltsschuldners gegenüber den minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindern aus der alten Lebensgemeinschaft und den Pflichten gegenüber den – soweit vorhanden – minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindern aus der neuen ehelichen oder nichtehelichen Partnerschaft.
Rz. 457
Mit Übernahme der Haushaltsführung in der neuen Lebensgemeinschaft erfüllt der Unterhaltsschuldner – auch – seine Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Lebenspartner und gegebenenfalls gegenüber den minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindern aus der neuen Lebensgemeinschaft, jedoch nicht gegenüber den minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindern aus der alten Lebensgemeinschaft.
Rz. 458
Grundsätzlich darf der Unterhaltsschuldner durch Übernahme der Haushaltsführung und gegebenenfalls Kinderbetreuung in einer neuen Lebensgemeinschaft seine Erwerbstätigkeit nur aufgeben, wenn er auf bestehende Unterhaltsverpflichtungen für seine minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kinder als der alten Lebensgemeinschaft Rücksicht nimmt. Dieses Gebot zur Rücksichtnahme erstreckt sich auf den neuen Lebenspartner, der die Erfüllung der Obliegenheit nach § 1356 Abs. 2, dessen Rechtsgedanke auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anzuwenden ist, ermöglichen muss. Dies gilt insbesondere, wenn bei der Festlegung der Aufgabenverteilung die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern aus der alten Lebensgemeinschaft bekannt war. Es steht den Partnern der neuen Lebensgemeinschaft zwar frei, ihren Lebensentwurf zu gestalten, allerdings darf dieser sich nicht zu Lasten der bestehenden Unterhaltsverpflichtungen auswirken.
Rz. 459
Praxistipp
Hat der oder die Unterhaltsschuldner(in) bereits in der alten Lebensgemeinschaft die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen, liegt kein Rollentausch vor, der unter die "Hausmann"-Rechtsprechung des BGH fällt, wenn er/sie das in der neuen Lebensgemeinschaft wieder tut.
a) Der Rollentausch
Rz. 460
Die Übernahme der Haushaltsführung und Kinderbetreuung in der neuen Lebensgemeinschaft durch den Unterhaltsschuldner, der in der alten Lebensgemeinschaft durch sein Erwerbseinkommen den Familienunterhalt gesichert hat, führt zum Wegfall, jedenfalls aber zur Beschränkung der Leistungsfähigkeit.
Rz. 461
Die Frage, ob diese Entscheidung des Unterhaltsschuldners mit ihren Konsequenzen von den unterhaltsberechtigten minderjährigen und/oder volljährigen Kindern aus der alten Lebensgemeinschaft hingenommen werden muss, beurteilt sich anhand der "Hausmann"-Rechtsprechung des BGH und deren auf enge Ausnahmefälle begrenzten Maßstab.
Rz. 462
Es muss sich aufgrund der in der neuen Lebensgemeinschaft gewählten Rollenverteilung für diese ein solcher Vorteil ergeben, der den Verzicht auf die Wahl dieser Gestaltung unzumutbar macht. Diese Ausgestaltung der neuen Lebensgemeinschaft ist nur dann hinzunehmen, wenn sich das Familieneinkommen in der neuen Beziehung dadurch, dass der andere Partner erwerbstätig ist, wesentlich günstiger gestaltet, als dies bei einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners der Fall wäre. Man spricht dann von einem akzeptablen Rollenwechsel. Aber auch wenn die Rollenwahl des Unterhaltsschuldners zu billigen ist, muss er trotzdem zum Unterhalt der minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kinder aus der alten Lebensgemeinschaft beitragen.
Den Rollenwechsel des Unterhaltsschuldners rechtfertigende Gründe sind u.a. folgende:
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Günstigere Gestaltung des Familienunterhalts bei vertauschter Rollenverteilung. |
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Der haushaltsführende Unterhaltsschuldner setzt sein Taschengeld aus der neuen Lebensgemeinschaft sowie sonstige Einkünfte, z.B. das Elterngeld, zur Bedarfsdeckung ein. |
Rz. 463
Praxistipp
Nicht einzusetzen sind hingegen das für die neue Lebensgemeinschaft bestimmte Haushaltsgeld und das bedarfsdeckende Kindergeld für Kinder aus der neuen Lebensgemeinschaft.
Rz. 464
Reichen diese Einkünfte nicht aus, um den Unterhaltsbedarf der minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kinder aus der alten Lebensgemeinschaft zu decken, be...