Rz. 353
§ 1603 Abs. 2 "verschärft" gegenüber § 1603 Abs. 1 die Leistungspflicht des Unterhaltspflichtigen in Form einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit für folgende Unterhaltsberechtigte:
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Minderjährige unverheiratete Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 1). |
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Den minderjährigen Kindern gleichgestellte volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 Satz 2). |
aa) Minderjährige unverheiratete Kinder, § 1603 Abs. 2 Satz 1
Rz. 354
Die Bestimmung des Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 1 bereitet keine Schwierigkeiten. Es wird die verschärfte Leistungspflicht des Unterhaltsschuldners gegenüber Kindern, die unverheiratet sind und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bestimmt.
bb) Die privilegierten Volljährigen (privilegierte Schülerkinder), § 1603 Abs. 2 Satz 2
Rz. 355
In den Vorteil einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsschuldners kommen auch die volljährigen unverheirateten Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern, eines Elternteils oder der Großeltern leben, und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.
Die Lebensstellung der privilegierten Volljährigen ist mit der der minderjährigen unverheirateten Kinder vergleichbar, sodass die Gleichstellung dieser Unterhaltsberechtigten im Rahmen der § 1603 Abs. 2 und § 1609 Abs. 1 geboten ist.
Rz. 356
Allerdings ergibt sich die Gleichstellung von minderjährigen unverheirateten Kindern und privilegierten volljährigen Kindern ausschließlich für den Anwendungsbereich der §§ 1603 Abs. 2 und 1609 Abs. 1, da sich die Gleichstellung der minderjährigen unverheirateten Kinder mit den privilegierten Volljährigen nur auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen gemäß § 1603 Abs. 2 und den Rang nach § 1609 Abs. 1 beschränkt.
Rz. 357
Praxistipp
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Bei der Bemessung des Unterhalts gilt die Gleichstellung jedoch nicht. Keine Anwendung findet die Gleichstellung des Weiteren auf § 1606 Abs. 3 Satz 2, sodass der bis Eintritt der Volljährigkeit Betreuungsunterhalt leistende Unterhaltspflichtige ab Volljährigkeit – ebenfalls – Barunterhalt schuldet. |
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Außerdem sind privilegiert Volljährige nicht im Rang von § 850d Abs. 2a ZPO zu berücksichtigen. |
Rz. 358
Weitere den minderjährigen unverheirateten Kindern gleichgestellte Personenkreise gibt es nicht.
Der Gesetzgeber hat insbesondere volljährige Kinder, die wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung nicht erwerbsfähig sind, oder eigene Kinder betreuende Volljährige von der Gleichstellung mit minderjährigen unverheirateten Kindern ausgenommen.
Auch unverschuldet erwerbsunfähige volljährige Kinder können sich nicht auf eine verschärfte Leistungspflicht ihrer Eltern berufen. Gleiches gilt, wenn sich das volljährige Kind unverschuldet in Not befindet. Maßstab für die Beurteilung der Unterhaltsberechtigten im Rahmen der §§ 1603 und 1609 ist alleine das Alter, nicht aber die Bedürftigkeit.
(1) Vollendung des 21. Lebensjahres
Rz. 359
Mit der zeitlichen Begrenzung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres sollen für die Unterhaltspflichtigen für den Fall eines überdurchschnittlich langen Schulbesuchs des Unterhaltsberechtigten Härten vermieden werden. Die Altersgrenze des § 1603 Abs. 2 Satz 2 entspricht den Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilferechts in den §§ 18 Abs. 3 und § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII.
(2) In allgemeiner Schulausbildung
Rz. 360
Die allgemeine Schulausbildung hat den Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums zum Ziel. Diese Voraussetzung ist bei Besuch der Hauptschule, der Gesamtschule, des Gymnasiums oder der Fachoberschule immer erfüllt. Aber nicht nur die gesetzliche Schulpflicht fällt unter die allgemeine Schulausbildung, sondern auch die Weiterführung zum jeweiligen Regelschulabschluss.
Ein Kind befindet sich auch in allgemeiner Schulausbildung, wenn es ohne einen Beruf auszuüben, allgemeinbildenden Schulunterricht in Privat- und Abendkursen erhält und das Ziel ein staatlich anerkannter allgemeiner Schulabschluss ist.
Rz. 361
Für das Kriterium der allgemeinen Schulausbildung ist es erforderlich, dass der Unterricht die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes zumindest weit überwiegend in Anspruch nimmt. Das ist der Fall, wenn mindestens 20 Wochenstunden kontrollierter Unterricht vom Kind absolviert werden müssen. Die Stetigkeit und Regelmäßigkeit des Unterrichts muss gewährleistet sein, dergestalt, dass die Teilnahme am Unterricht nicht der Entscheidung des Schülers überlassen ist.
Rz. 362
Einzelne Beispiele für (Schul-)Ausbildungsformen, die das Tatbestandsmerkmal "allgemeine Schul...