Rz. 200
Grundsätzlich ist auch ein minderjähriges Kind zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn es das 15. Lebensjahr vollendet hat, die Vollzeitschulpflicht nicht mehr besteht und es sich nicht in Ausbildung befindet.
aa) Schwangerschaft der minderjährigen Tochter
Rz. 201
Die minderjährige schwangere Tochter, die aufgrund der Schwangerschaft nicht erwerbstätig ist, kann unter Umständen einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern nach § 1601 haben. Allerdings nur, wenn der vorrangige Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegen den Kindsvater nach § 1615l Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 nicht besteht oder realisiert werden kann. Gleiches gilt für die verheiratete minderjährige schwangere Tochter dann, wenn der vorrangig haftende Ehemann (§ 1608 Abs. 1) verstorben ist oder Unterhaltsansprüche gegen ihn nach §§ 1360, 1361, 1570 nicht bestehen oder nicht realisiert werden können.[265]
Rz. 202
Praxistipp
Der Unterhaltsanspruch der minderjährigen schwangeren Tochter ist jedenfalls nachrangig nach den Ansprüchen gegen den Ehegatten oder (zukünftigen) nicht mit der Mutter verheirateten Kindsvater, da der Umfang der Unterhaltspflicht von Verwandten der Mitverantwortung des anderen Ehegatten nicht gleichzusetzen ist.[266] Gleiches muss im Verhältnis zum nicht mit der Mutter verheirateten (künftigen) Vater gelten.
bb) Betreuung eines eigenen Kindes durch die minderjährige Tochter
Rz. 203
Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei Schwangerschaft der minderjährigen Tochter. Ihr Unterhaltsanspruch gegen die Eltern ist nachrangig zu ihrem Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann bzw. nicht mit ihr verheirateten Kindsvater.
Rz. 204
Sofern jedoch ausnahmsweise ein Unterhaltsanspruch der minderjährigen, ihr Kind betreuenden, Tochter gegen die Eltern besteht, ist Inhalt dieses Anspruchs alleine und ausschließlich die Bedürftigkeit der minderjährigen Mutter, nicht des (Enkel-)Kindes, für dessen Bedarf – jedenfalls zunächst – der Kindsvater aufzukommen hat.[267]
Rz. 205
Liegen die Voraussetzungen für eine Haftung der Eltern der minderjährigen Mutter vor, besteht eine Erwerbsobliegenheit für die Unterhaltsberechtigte nur, wenn und solange sie wegen des Mutterschutzes vor und nach der Geburt nicht beschäftigt werden kann (§§ 3, 6 MuSchuG) und sie, z.B. mangels versicherungspflichtiger Tätigkeit, kein Mutterschaftsgeld erhält.[268] Ansonsten, also nach Ablauf des Mutterschutzes, ist die minderjährige Mutter als Unterhaltsberechtigte im Verhältnis zu ihren unterhaltspflichtigen Eltern verpflichtet, ihrer Erwerbsobliegenheit nachzukommen. Dies gilt auch während der ersten drei Lebensjahre des (Enkel-)Kinds,[269] es sei denn, es liegen in der Person des (Enkel-)Kindes Gründe, die eine Betreuung durch die Mutter erforderlich machen.[270]
Rz. 206
Praxistipp
In jedem Fall ist von der minderjährigen Kindsmutter zu erwarten, dass sie ihre Eltern zumindest durch die Aufnahme einer Teilzeittätigkeit entlastet.[271] Zu diesem Zweck ist auch der leibliche Vater des (Enkel-)Kindes zur unentgeltlichen (Mit-)Betreuung heranzuziehen. Es handelt sich hierbei gerade nicht um eine freiwillige Leistung eines Dritten, die die Bedürftigkeit nicht beseitigt.[272]
Rz. 207
Außerdem ist die Bedürftigkeit der unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindsmutter im Verhältnis zu ihren unterhaltsverpflichteten Eltern um die Leistungen zu mindern, die sie im Rahmen der gemeinsamen Lebensführung bei bestehender Beziehung mit dem Kindsvater von diesem entgegennimmt.[273]
Rz. 208
Praxistipp
Den Eltern steht gegenüber ihrer minderjährigen Tochter, die ihr Kind betreut, nur der notwendige Selbstbehalt zu (§ 1603 Abs. 2 Satz 1).
Rz. 209
Diese Ausführungen gelten auch für den minderjährigen Vater des (Enkel-)Kindes, der sein Kind betreut und daher keiner – auch nur eingeschränkten – Tätigkeit nachgeht, wenn die Ansprüche gegen die vorrangig haftende Mutter des (Enkel-)Kindes nicht bestehen oder realisiert werden können.[274]
cc) Notlage eines minderjährigen Kindes
Rz. 210
Kranken und behinderten minderjährigen Kindern bleiben die Eltern unabhängig von einer Erwerbsobliegenheit zum Unterhalt verpflichtet. Allerdings kann im Rahmen des tatsächlich Möglichen vom betroffenen minderjährigen Kind die Aufnahme einer zumutbaren (Teil-)Erwerbstätigkeit verlangt werden.[275] Soweit das Kind seiner Erwerbsobliegenheit in diesem Umfang nicht nachkommt, werden fiktive Einkünfte angerechnet.
Rz. 211
Alkoholabhängigkeit und Unterhaltsneurosen gelten als Krankheiten, die grundsätzlich zur Unterhaltsbedürftigkeit des minderjährigen Kindes führen.[276] Das minderjährige Kind trifft jedoch die Obliegenheit, alle zur Gesundung und Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zumutbaren Maßnahmen einzuleiten und abzuschließen.[277]
Rz. 212
Praxistipp
Die Verwirkung nach § 1611 ist möglich.[278]
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