Rz. 657
Grundsätzlich ist die Anspruchsgrundlage und damit auch die Anspruchsvoraussetzungen die gleiche bzw. die gleichen. Der Unterhaltsanspruch des minderjährigen und des volljährigen Kindes sind identisch. Die unveränderte Fortdauer des die Unterhaltspflicht begründenden Verwandtschaftsverhältnisses über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus ist Wesensteil des Verwandtenunterhalts. Trotzdem ergeben sich für das von seinen Eltern Unterhalt begehrende volljährige Kind einige Abweichungen vom Anspruch des minderjährigen Kindes gegen seine Eltern.
1. Keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit
Rz. 658
Mit Eintritt der Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten bzw. mit Wegfall der Privilegierung nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 trifft die Unterhaltsverpflichteten nicht mehr eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit und/oder die Verpflichtung alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für den beiderseitigen Unterhalt zu verwenden. Den unterhaltspflichtigen Elternteilen wird jeweils der angemessene Selbstbehalt in Höhe von derzeit 1.200 EUR zugestanden.
2. Anteilige Barunterhaltspflicht beider Elternteile
Rz. 659
Die elterliche Sorge endet mit Eintritt der Volljährigkeit, das volljährige Kind muss nicht mehr von einem oder beiden Elternteil(en) betreut werden. Die elterliche Verantwortung wird zur Barunterhaltspflicht beider Elternteile. Der sich aus der Lebensstellung der Eltern ableitende Bedarf des volljährigen Kindes ergibt sich daher aus der Summe der Einkünfte beider Elternteile.
Rz. 660
Für den ungedeckten Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes haften die Eltern anteilig nach dem Verhältnis ihrer unterhaltsrechtlich bereinigten Einkünfte, die um den angemessenen Selbstbehalt reduziert werden. Zu beachten ist, dass das volljährige Kind im Verhältnis zum minderjährigen und privilegiert volljährigen Kind im Rangverhältnis zurücktritt (§ 1609).
3. Kindergeldanrechnung
Rz. 661
Das Kindergeld ist unterhaltsrechtliches Einkommen des volljährigen Kindes und deckt daher in voller Höhe seinen Bedarf. Es kann den Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes an sich gegen einen Elternteil, gegen den ein Titel über Barunterhalt besteht, ohne ein Abänderungsverfahren eigenständig geltend machen.
4. Erwerbsobliegenheit des volljährigen Kindes
Rz. 662
Das minderjährige oder privilegiert volljährige Kind trifft grundsätzlich nur in engen Ausnahmefällen eine Erwerbsobliegenheit. Das volljährige Kind hingegen hat seinen Lebensbedarf durch eigene Einkünfte sicher zu stellen. Einkünfte des volljährigen Kindes werden unterhaltsrechtlich bereinigt in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet. Den Stamm seines Vermögens muss das volljährige Kind ebenfalls zur Deckung seines Bedarfs einsetzen.