Rz. 826
(Leistungs-)Störungen im Unterhaltsschuldverhältnis nach §§ 1601 ff., die auf der Verletzung des den §§ 1602, 1610 Abs. 2 innewohnenden Gegenseitigkeitsprinzips durch den Unterhaltsgläubiger beruhen, können verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen:
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Ruhen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt mit/oder ohne Zurückbehaltungsrechte, und/oder |
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Verwirkung bzw. Teilverwirkung des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt. |
(1) Erlöschen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Rz. 827
Massive Verletzungen des Gegenseitigkeitsverhältnisses führen von selbst zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs, ohne dass dies an die besonderen Verwirkungsvoraussetzungen des § 1611 Abs. 1 gebunden wäre. Diese Rechtsfolge darf nicht mit den Rechtsfolgen gem. § 1611 Abs. 2 (Verwirkung eines Anspruchs) verwechselt werden:
Rz. 828
§ 1611 regelt Fallgestaltungen sittlichen Verschuldens und setzt systematisch bereits voraus, dass dem Kind ein Unterhaltsanspruch zwar grundsätzlich zusteht, dieser aber aufgrund eines bestimmten negativ zu bewertenden Verhaltens des Kindes ausgeschlossen ist. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte in bedarfsdeckender Höhe lässt vielmehr bereits die Bedürftigkeit und damit die Voraussetzungen für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs entfallen, den der Anwendungsbereich des § 1611 Abs. 1 aber gerade voraussetzt.
Rz. 829
Verletzt ein unterhaltsberechtigtes (volljähriges) Kind nachhaltig Ausbildungsobliegenheiten, zeigt es insb. keine Mitwirkung bei seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung, oder verletzt es nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, dann büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.
Rz. 830
Je nach konkreter Situation kann eine grundlose und durch den Unterhaltsgläubiger zu vertretende mehrjährige Unterbrechung der Ausbildung dazu führen, dass ein Unterhaltsanspruch auf Dauer entfällt, sofern nicht ausnahmsweise den Eltern die Zahlung von Ausbildungsunterhalt nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen noch zumutbar ist.
Rz. 831
Allerdings kann ein erloschener Unterhaltsanspruch ausnahmsweise wieder aufleben, wenn die Ausbildung mit erhöhtem Leistungswillen nunmehr zielstrebig weitergeführt oder erneut aufgenommen wird, und wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.
(2) Verwirkung des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Rz. 832
Eine Verwirkung des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt kommt unter den Voraussetzungen des § 1611 in Betracht. So macht sich der Unterhaltsgläubiger einer schweren Verfehlung i.S.v. § 1611 Abs. 1 schuldig, wenn er dem Unterhaltsschuldner einen nicht unerheblichen Schaden durch seine schuldhafte Pflichtverletzung zufügt, die darin besteht, dass er ihm den Abbruch seiner Ausbildung nicht mitteilt und ihn dadurch veranlasst, weiter Unterhalt zu zahlen, obwohl er hierzu nicht mehr verpflichtet ist und bei pflichtgemäßer Aufklärung die Unterhaltszahlungen auch eingestellt hätte. Eine solche schwere Verfehlung kann unter Gesamtabwägung aller den Fall prägenden Umstände sowohl zur teilweisen als auch zur vollständigen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führen.