Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 214
In den Abstammungsvorschriften der §§ 1591 ff. BGB geht es ausschließlich um die Frage der Elternschaft, nicht also auch z.B. um Enkelkinder wie in § 1589 BGB.
Zur Bestimmung der Eltern eines Kindes bedient sich das Gesetz einer bestimmten Systematik, die zwar dem Grundprinzip der biologischen Abstammung verpflichtet bleibt, aber zugleich – und zunächst – im Sinne größtmöglicher Klarheit an einfache Tatbestände anknüpft wie etwa an das Merkmal "Ehemann" (§ 1592 Nr. 1 BGB), wodurch im Interesse des Kindes eine sofortige Abstammungszuordnung erreicht wird.
Steht die biologische Abstammung im Streit, bleibt es für die Abstammung zunächst bei der Anknüpfung an leicht ermittelbare Tatsachen. Zur umfassenden Klärung der biologischen Abstammung ist erst in einem zweiten Schritt ein gerichtliches Statusverfahren vorgesehen.
1. Jüngere Entwicklung des Abstammungsrechts
Rz. 215
Das Abstammungsrecht ist in jüngerer Zeit mehrfach modifiziert worden.
Durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) vom 16.12.1997 wurde zum 1.7.1998 etwa die Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung beseitigt. Regelungen über die Vaterschaft finden sich seither im Wesentlichen in den §§ 1592 und 1593 BGB.
Auch wurde die Vaterschaftsanfechtung über § 1599 Abs. 1 BGB einheitlich ausgestaltet, während nach früherem Recht entweder die Ehelichkeit des Kindes oder die Anerkennung der Vaterschaft angefochten wurde.
Rz. 216
Auch die Voraussetzungen für die Vaterschaft des Ehemannes (§ 1592 Nr. 1 BGB) wurden deutlicher gefasst.
Galt nach früherem Recht ein Kind auch dann als Kind des Ehemannes, wenn die Ehe geschieden und das Kind binnen 302 Tagen nach Auflösung der Ehe geboren wurde, kommt es nunmehr ausschließlich auf das (Noch-)Bestehen der Ehe zum Zeitpunkt der Geburt an. In Ausnahme dazu sieht allerdings § 1593 BGB vor, dass bei Auflösung der Ehe durch Tod ein Kind auch dann als eheliches Kind gilt, wenn das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehegatten geboren wird.
Rz. 217
Weitere Lockerungen der Ehegatten-Vaterschaft sieht das Gesetz in § 1599 Abs. 2 BGB vor. Danach gilt auch dann die Vaterschaft des Ehemannes nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt.
Rz. 218
Im Hinblick auf die Fortschritte der Fortpflanzungsmedizin hat das KindRG ferner eine Regelung über die Mutterschaft eingeführt (§ 1591 BGB).
Das Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9.4.2002, in Kraft seit dem 12.4.2002, beseitigte zunächst ein vermeintliches Redaktionsversehen für den Fall der Vaterschaftsanerkennung. Die Anerkennung der Vaterschaft bedarf der Zustimmung der Mutter, § 1595 Abs. 1 BGB.
Während nun der geschäftsunfähige Vater die Vaterschaft über seinen gesetzlichen Vertreter anerkennen konnte, fehlte für die Zustimmungserklärung der geschäftsunfähigen Mutter eine entsprechende Vorschrift.
Rz. 219
Zentral ist aber die Einfügung eines § 1600 Abs. 2 BGB, heute Abs. 4, durch den bei Zustimmung des Ehemannes im Falle einer konsentierten heterologen Insemination die Anfechtung der Vaterschaft sowohl durch die Mutter als auch durch den Vater ausgeschlossen ist.
Rz. 220
Die jüngste Änderung hat das Abstammungsrecht durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften für die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23.4.2004 erfahren.
Die Änderung fußt auf einer Entscheidung des BVerfG vom 9.4.2003, nach der der Gesetzgeber verpflichtet war, die Stellung des biologischen Vaters für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu verbessern. Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber durch die Regelung eines eigenen Anfechtungsrechts des biologischen Vaters nachgekommen, vgl. § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Rz. 221
2008 ist es zu einer weiteren Gesetzesänderung gekommen durch das "Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft".
Die entscheidende Änderung/Ergänzung besteht darin, dass der Kreis der Anfechtungsberechtigten in einer Zif. 5 des § 1600 Abs. 1 BGB erweitert worden ist um
"die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2".
Es wird damit einem Träger öffentlicher Belange (wieder) das Recht eingeräumt, gegen offensichtlich missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen einzuschreiten.
Dass es dafür einen Bedarf gibt, zeigt eindrucksvoll der Bericht über den in Paraguay lebenden Deutschen, der dort und anderswo die Vaterschaft zu hunderten ausländischer Kinder anerkannt hat, um diesen damit die deutsche Staatsangehörigkeit und deutsche Sozialleistungen zu verschaffen.
Rz. 222
Nach den Ermittlungen der Presse handelte es sich keineswegs um einen Einzelfall. Osteuropäische Kriminelle ließen Helfer in Berliner "Kneipen" nach Sozialhilfeempfängern Ausschau halten, die dann überredet werden, für Beträge zwischen 1....