Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 527
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Zulässigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung anhand von Kriterien zu prüfen:
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Negative Gesundheitsprognose |
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Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher und wirtschaftlicher Interessen und |
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Interessenabwägung/Verhältnismäßigkeit |
Rz. 528
Mit Inkrafttreten des § 167 Abs. 2 SGB IX sind vereinzelt Einzelstimmen laut geworden, wonach eine krankheitsbedingte Kündigung voraussetze, dass zuvor ein BEM angeboten und bei Zustimmung des Betroffenen auch durchgeführt wurde. Nach überwiegender Auffassung und nunmehr ständiger BAG-Rechtsprechung ist aber das dreistufige Prüfungsschema bei einer krankheitsbedingten Kündigung beizubehalten, jedoch im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, ob ein BEM durchgeführt wurde. Wurde ein BEM nicht durchgeführt, könnte die Kündigung unverhältnismäßig sein. Nach der Rechtsprechung reicht es aber aus, dass der Arbeitgeber die in § 167 Abs. 2 SGB IX vorgesehenen Schritte und Maßnahmen prüft und durchführt, der Arbeitgeber muss dies nicht unter dem Etikett eines BEM tun. Durch die zusätzliche Einziehung einer Kündigungsvoraussetzung hat sich jedoch das BEM bzw. die nicht – ordnungsgemäße – Durchführung zu einer weiteren Hürde einer krankheitsbedingten Kündigung entwickelt und verschärft. Es steht zu vermuten, dass die Rechtsprechung die Anforderungen durch den Einzug von gesetzlichen Regelungen, die außerhalb der gesetzlichen Konzeption des Kündigungsschutzes stehen, in den Kündigungsschutz weiter erhöht und damit auch Rechtsunsicherheiten begründet.
Rz. 529
Richtigerweise ist die Frage, ob ein BEM durchgeführt wurde, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Hat ein BEM überhaupt nicht stattgefunden, ist zu beurteilen, ob ein BEM ein milderes Mittel als die Kündigung zur Beseitigung der Störung gewesen wäre. Hier muss dann berücksichtigt werden, ob und welche Maßnahmen mithilfe eines BEM hätten getroffen werden können. Erscheint ein BEM von vornherein aussichtslos, braucht der Arbeitgeber dieses Verfahren auch nicht durchzuführen, weil dann das BEM kein geeignetes Mittel zur Behebung der Störung ist. Eine qualitative Änderung der Anforderungen für die Zulässigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung dürfte damit nicht vorliegen, da auch schon bisher im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geklärt werden musste, ob und inwieweit ein leidensgerechter Arbeitsplatz oder ein sonstiges Hilfsmittel zur Vermeidung der Kündigung in Betracht kommt. Diese Maßstäbe dürften auch dann gelten, wenn ein BEM zwar durchgeführt wurde, der gekündigte Mitarbeiter aber vortragen würde, dass das Verfahren mangelhaft gewesen sei. Auch hier steht letztlich die Verhältnismäßigkeit der Kündigung im Streit.